SWR3 Gedanken

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28SEP2019
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Jannik ist seit drei Wochen „Wolkenschieber“. Für ziemlich wenig Geld ist er 38 Stunden in der Woche für Menschen da, die auf Hilfe angewiesen sind. Jannik macht ein Freiwilliges Soziales Jahr.

„Warum machst du das?“, frag ich ihn. „Du hättest direkt eine Ausbildung machen können. Oder dir einen Job suchen, wo du richtig verdienst.

Jannik winkt ab: „Ich wollte halt mal sehen, was man als Wolkenschieber so macht. Im Ernst, ich fand das Plakat gut, mit dem die Bodelschwingh Stiftungen auf das FSJ hingewiesen haben. So bin ich in einer Wohngruppe für geistig behinderte Senioren gelandet.“

„Und?“, frage ich, „schiebst du da Wolken?“ Jannik grinst. „Ja. Schon irgendwie. Wenn ich Frühdienst in der Wohngruppe habe, strahlt mich Sven hinter seiner Teetasse an, dabei ist er eigentlich ein Morgenmuffel. Wolfgang wird schnell wütend. Wenn er mal wieder türenknallend aus dem Gruppenraum rennt, setze ich mich zu ihm auf die Bank in der Küche und er beruhigt sich.“

 „Ist das nicht anstrengend“, will ich wissen, „immer beruhigen, gute Laune verbreiten, Wolken schieben?“ Jannik schaut mich verblüfft an: „Wie kommst du darauf, dass ich immer gute Laune verbreiten muss? Neulich war es gerade anders rum: Ich hab vor dem Dienst mit meiner Freundin gestritten und kam ewig schlecht gelaunt in der Wohngruppe an. Mein Teampartner hat das natürlich gemerkt und mich was aufräumen lassen. Nach einer Weile ist Dieter gekommen, hat mir eine Weile zugeschaut. Dann hat er gesagt: ‚Ach Jannik, ich war auch mal jung.‘ Das war witzig und tröstlich gleichzeitig. Dann hat er mir beim Aufräumen geholfen. Als wir fertig waren, hab ich den Kopf wieder frei gehabt.“

„Dann hat also Dieter Wolken geschoben?“, frage ich.

„Definitiv! Das ist ja das Tolle bei diesem Freiwilligenjahr: Fast jeden Tag erlebe ich, dass Wolken geschoben werden. Von allen. Und ich bin mitten drin.“

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