SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

20SEP2019
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ich schau mir am Abend gerne Komödien an. Vor allem, wenn ich mich tagsüber viel mit den Sorgen und Problemen anderer Leute beschäftigt habe, weil das als Lehrer zu meinem Berufsalltag gehört. Humor hilft mir dann, Abstand zu den Sorgen zu bekommen, die ich am Tag gehabt habe. Aber wenn ich am Sonntag, nach einem entspannten Tag, noch Bedarf an aufregenden und spannenden Gefühlen habe, dann muss eher ein Krimi oder ein Actionfilm her. Welche Sendung ich abends im Fernsehen anschaue oder im Radio höre, hängt also meistens nicht vom Programm ab, sondern von meiner Stimmung: Wenn ich entspannt bin, suche ich das Aufregende, wenn ich Stress habe, eher die Entspannung.

Ich kann mir auchvorstellen, dass es mit dem Glauben ähnlich ist. Ich denkenicht, dass ich mit der Religion meine Stimmung und Launen regulieren kann, aber ich kann mir auch durch den Glauben bewusstwerden, was ich brauche, wenn ich zu Gott bete.

Die Autoren der Bibel haben ja Gotteserfahrungen in den unterschiedlichsten Lebenslagen gesammelt. Deshalb finde ich in der Bibel ein breites Spektrum an Gottesvorstellungen, an denen ich in verschiedenen Situationen anknüpfen kann: Als Kind habe ich mir Gott als väterliche Person vorgestellt; In Zeiten, wo ich es nicht anschauen mag, wie ungerecht es in der Welt zugeht, hoffe ich auf Gott als einen Richter, der Gerechtigkeit schafft. Und in Phasen, in denen ich erschöpft bin, hilft mir das Bild vom guten Hirten, der mich an einen Platz führt, wo ich ausruhen kann.

Letzten Endes ist Gott aber dochanders als ich ihn mir vorstellen kann. Er muss auchnicht meinen Bedürfnissen entsprechen. Diese Bilder zeigen nicht umsonst die vielen Facetten von Gott, die mit meinen Bedürfnissen zusammenspielen. Nicht weil Gott so ist, wie ich ihn gerade brauche.

Keines der Bilder in der Bibel kann Gott erfassen, selbst wenn die Palette der Bilder noch so groß ist. Sie spiegeln die Bedürfnisse der Menschen. Aber ich hoffe, dass Gott hinter diesem Spiegel aufscheint. Und dass ich ihm über diese Bilder nahekomme, auch wenn sie erst mal nur mich spiegeln. Sie spiegeln, wie ich mich mit dem, was ich brauche, an Gott wende: Weil ich darauf hoffe, dass er mir das geben wird, was mir hilft.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29399
weiterlesen...