SWR4 Sonntagsgedanken

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Haben Sie schon einmal eine Hiobsbotschaft erhalten? Eine schreckliche Mitteilung, die einem den Boden unter den Füßen wegzieht. Eine echte Hiobsbotschaft.

Der Ausdruck Hiobsbotschaft kommt vom biblischen Hiob, einem sehr frommen und ursprünglich auch sehr wohlhabenden Mann. Hintereinander wurden ihm von seinen Mitarbeitern mehrere schreckliche Nachrichten überbracht. Hiobsbotschaften eben. Sozusagen über Nacht hatte Hiob seinen ganzen  Besitz, sein ganzes Vermögen verloren. Und dann musste er auch noch hören, dass seine Kinder umgekommen sind. Darauf – eigentlich kein Wunder – wurde Hiob schwer krank. Das war nicht mehr auszuhalten.

Seine Frau hat ihn gefragt: Wie kannst Du jetzt noch an Gott glauben. Aber Hiob hat geantwortet: Der Allmächtige selbst hat mich erschüttert. Das war nicht irgendein Zufall. An Gott geht nichts vorbei, was geschieht. Ihm will ich meine Not klagen.

Menschen reagieren ja sehr unterschiedlich auf schlimme Nachrichten. Manche ziehen sich komplett in sich zurück und verbittern still. Wollen von nichts mehr etwas wissen. Andere hadern laut und offen mit ihrem Schicksal und brechen mit allem, was ihnen bisher wichtig und heilig war. Mit ihren Mitmenschen und mit Gott. Wieder andere gehen in sich. Sie suchen ganz neu nach Gott. Sie klagen ihm ihre Not – wie Hiob. Sie möchten irgendeine Antwort, irgendeinen Sinn oder Ausweg in ihrem Schicksal erkennen.

Wer selbst schon einmal so erschüttert wurde, kann solche Verhaltensweisen sehr gut verstehen. Oft schwankt man sogar von der einen zur anderen Haltung.

Warum ich? Warum jetzt? Und wieso?

Eine ältere Frau hat mir einmal gesagt: „Ich verstehe das nicht. Wie kann es sein. Ich habe doch immer anständig gelebt und auf meine Gesundheit geachtet?“ Aber es gibt keine Garantie für ein gutes Leben. Nirgendwo. Leid, Verlust und Krankheit nehmen niemanden aus. Sie sind ein fester Teil des menschlichen Lebens.

Im biblischen Buch Hiob werden unterschiedliche Haltungen zum Unglück und zum Leid in dieser Welt angesprochen. Da hört man die kritischen Stimmen, die sagen, wie kannst Du jetzt noch an Gott festhalten. Aber man liest auch von Hiobs Freunden, die den Kranken besuchen, die mit ihm sprechen, mit ihm schweigen, die das Unaussprechliche aushalten, die mit dem Betroffenen leiden. Die ihn auf der Suche nach dem Sinn und nach Gott begleiten wollen.

Und über Hiob kann man nur staunen. Er ist verzweifelt, er klagt laut, aber in aller Verzweiflung gibt er seine Hoffnung, gibt er Gott nicht auf. Wenn man dieser Spur folgt, erkennt man, wie etwas Größeres, Wichtigeres heranwächst. Ein Glaube übers Leben hinaus.

Ich weiß, dass viele andere auch große Lasten oder schreckliche Verluste ertragen müssen. Wieder andere gehen mit Menschen um, die unter solchen Verlusten oder gesundheitlichen Lasten leiden. Womöglich kennen Sie das auch.

Da kann man nichts schön reden. Die Sache nicht einfach lösen. Man muss jeden einzelnen Tag erst einmal durchstehen und damit leben.

Da kann die Geschichte von Hiob helfen, die keinen Helden vorführt, sondern einen vom Leid Geplagten. Die keinen glücklichen, sondern einen verzweifelt suchenden und mit seinem Schicksal und mit Gott ringenden Menschen beschreibt. Aber sie schildert auch einen Menschen, der Entdeckungen macht, der zu Einsichten kommt, zu denen man in sonnigen Zeiten nicht so leicht gelangt.

Eine davon ist, wie wichtig Freunde sind, selbst dann, wenn Gespräche hart und schmerzhaft werden. Das Zuhören, das Mitleiden, das gemeinsame Aushalten hat allen letztlich doch geholfen und viele wichtige Gedanken und Erkenntnisse reifen lassen. Auch einen neuen Blick auf das Leben und auf Gott haben sie bekommen. Das geht einher mit der Einsicht, dass Gott nicht einfach so verfügbar ist, aber dass er jeden einzelnen Menschen immer im Blick behält. Man kann von Gott nichts erzwingen – wer sind wir denn ihm gegenüber –, aber man kann ihm alles vertrauensvoll klagen. Denn Gott hört und schaut hin. Leid und Schmerzen gehören zu dieser Welt, leider. Hiob hat das für sich erkannt. Und im Leben, Sterben und Auferstehen von Jesus sehe ich das auch. Von Jesus lerne ich: Gott ist größer, als ich mir das vorstellen kann. Wo mein Denken und Glauben zu Ende ist, da kann doch neues Leben beginnen.

Es mag im ersten Moment billig klingen, aber Hiob ist durch das Unglück und in diesen Gesprächen zusammen mit seinen Freunden und seiner Frau wirklich gereift. Sie haben begriffen wie labil und verletzlich das Leben ist. Dass man Gott nicht einfach so fassen und begreifen kann, aber dass Gott keinen loslässt – auch nicht im Leid oder im Schmerz.

Das wünsche ich allen, denen es gerade wie Hiob geht. Dass die langen und schwierigen Nächte, die schmerzvollen Tage, sogar die Verzweiflung, die wie ein schwarzer Tunnel die Sicht versperrt, bald enden. Und dass sie zu Erfahrungen werden, die einen größeren und weiteren Blick reifen lassen. Und ich wünsche Ihnen von Herzen Gottes Segen für diesen Sonntag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29343
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