SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Ein friedliches Bild, dieser Tage im Vorderhunsrück: Da weidet eine mittelgroße Schafherde auf einer großen Weide; Spuren quer über die kleine Straße und im Gelände zeigen: Tagsüber waren Mutterschafe und Lämmer und Jungschafe noch gewandert. Jetzt sind sie für die Nacht eingezäunt, der Schäfer ist wohl heimgefahren.

Nur kurz habe ich mich gefragt, ob der niedrige Zaun wohl wirklich reicht. Wo doch angeblich „der Wolf“ wieder da ist und gern bei Nacht Beute macht. Herden brauchen doch hohe und starke Zäune, am liebsten elektrisch; Herdenhunde sollen die Schafe gegen nächtliche Räuber verteidigen. Und Bauern und Schäfer und manche Politiker wollen „den Wolf“ lieber wieder schießen und so für Sicherheit sorgen…

Aber mit der Hirten- und Schäfer-Idylle ist sowieso schon länger Schluss. Das ist ein harter Job – gerade auch, weil immer draußen in der Natur; und wer möchte schon ein Schaf sein und jeden Sommer den Pelz verlieren…

Und ob das Bild von Hirt und Herde,  das Jesus in der Bibel zeichnet, wirklich so idyllisch gemeint ist, wie die Kunst es gern nachgemalt hat? Jesus nennt sich den Hirten – und tatsächlich war er das ja auch: Hat Kranke gesund gemacht und sich um Menschen in Armut und Hunger gesorgt. Ist seinen Freundinnen und Freunden vorangegangen – und zwar so, dass sie ihm wirklich nachfolgen konnten.

Wenig anfangen kann ich jedoch mit dem Hirten- und Herde-Bild, wenn es auf die Kirche übertragen wird. Ich höre dieses Klischee immer wieder in Medien und bei Leuten, die mich dann als ein "Schaf" hinstellen. Das wäre eine Zumutung. Christinnen und Christen sind sehr mündig unterwegs und selbstbestimmt;  sie sorgen für einander und für andere Menschen.

Und wenn Papst Franziskus sagt, dass der Hirte riechen muss wie die Herde (oder hat er „stinken“ gesagt?): dann erklärt auch er die romantischen Bilder für beendet...

Auf Augenhöhe sein mit den Menschen; sich einlassen auf das Leben, wie sie es leben. Jeder Christenmensch darf und kann und soll Hirtin und Hirte der anderen sein.

Unnötig, noch Schutzwälle aufzubauen oder hohe Zäune gegen Wölfe, die die Herde von außen bedrohen würden; weil dann ja alle in der Kirche selbst wachsam sind und darauf achten, dass sie gemeinsam auf dem richtigen Weg bleiben. Sie glauben doch an Jesus, den guten Hirten für alle Menschen und folgen ihm auch bei diesem Auftrag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29331
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