SWR3 Gedanken

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29AUG2019
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„Mich können Sie in der Kirche nicht brauchen“, sagt der ältere Herr beim zufälligen Gespräch. Grundsätzlich denke ich, dass wir jeden in der Kirche brauchen können, deswegen frage ich nach. „Ich habe viel zu viele Zweifel“, sagt er. „Wenn man in die Kirche geht, sollte man einen festen Glauben haben. Und den habe ich nicht.“ 

Wenn es danach ginge, könnte man mich in der Kirche auch nicht brauchen. Denn von Zeit zu Zeit habe ich auch meine Zweifel. Aber die gehören für mich zum Glauben irgendwie dazu. Und damit bin ich in guter Gesellschaft. In biblischer Gesellschaft. Sogar der große Apostel Petrus war ein Zweifler. Und davon erzähle ich dem älteren Herrn.

Von Petrus und den Jüngern, denen mitten auf dem See Genezareth Jesus übers Wassers entgegen läuft. Natürlich erschrecken die und halten ihn für ein Gespenst. Aber Petrus will es wissen. Wenn du Jesus bist, dann lass mich auch übers Wasser laufen. Klar, sagt Jesus, dann lauf mal los. Das tut Petrus, kriegt aber auf halber Strecke Panik und taucht prompt ab. Jesus fischt ihn aus dem Wasser mit der Frage: Warum zweifelst du? 

Ja, warum zweifeln Menschen? Weil manches eben manchmal nicht zu glauben ist. Es passieren jede Menge Dinge, die ich nicht verstehe und wo ich Gott nicht verstehe, an denen ich verzweifle. Warum tut er nichts? Wo ist er überhaupt? Warum lässt er mich allein auf schwankendem Boden, so dass ich das Gefühl habe zu ertrinken? 

Petrus ist nicht ertrunken. Und trotz oder sogar wegen seines Zweifels war er so eng mit Jesus befreundet. Und das ist ja gerade das Großartige am Glauben. Dass es um eine Freundschaft mit Gott geht, die so etwas aushält. Die trägt und hält durch alle Zweifel hindurch. 

Der ältere Herr zögert immer noch sichtlich, ob sein Zweifel in der Kirche willkommen ist. Ganz ohne Zweifel, sage ich, gerade solche Menschen kann die Kirche brauchen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29323
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