SWR3 Gedanken

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28AUG2019
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Mitten in den Wäldern von Nord-Kentucky, Tausende von Kilometern vom Meer entfernt, ragt plötzlich ein Schiffsrumpf aus Tannenholz in die Höhe. 152 Meter lang, sieben Stockwerke hoch, das größte Holzbauwerk der Welt. Eine moderne Arche Noah, die knapp 100 Millionen Euro gekostet hat und Millionen von Besuchern anlocken soll. 

Verantwortlich ist der Millionär Ken Ham, dem es nicht um Entertainment, sondern um eine religiöse Botschaft geht. Und die ist echt schräg. Denn Ken Ham glaubt fest daran, dass die Welt in sechs Tagen erschaffen wurde und dass Kinder neben Dinosauriern gespielt haben. Er ist ein so genannter „Kreationist“, der die Bibel für ein Sachbuch hält und die Schöpfungsgeschichte für eine Art Wikipedia-Artikel. Da gruselt es jeden ernsthaften Theologen. Also auch mich. 

Die biblische Schöpfungsgeschichte ist eine der schönsten Geschichten, die ich kenne. Und sie enthält eine Menge Wahrheiten und Weisheiten. Aber sie ist keine naturwissenschaftliche Abhandlung. Und will es auch gar nicht sein. Schon allein deshalb zieht es mich nicht nach Nord-Kentucky. 

Aber auch deshalb, weil Ken Ham mit seiner Arche eine zutiefst konservative und lieblose Sexualmoral verknüpft. Für ihn reduziert sich der Frevel in der Welt auf schwangere Teenager und homosexuelle Partnerschaften. Da atme ich erleichtert durch, dass ein ähnliches Projekt vor Jahren in Deutschland nicht realisierbar war. Hierzulande konnten nicht besonders viele Menschen etwas damit anfangen. 

Bevor ich meinen Fuß in diese Arche setze, bleibe ich lieber im Schiff, das sich Gemeinde nennt. Weil ich mit einer Botschaft durch das Meer der Zeit schippern will, die etwas mit Freiheit, Toleranz und Liebe zu tun hat. Und mit einem Kapitän namens Gott, der niemanden ausbootet, sondern jeden Menschen willkommen heißt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29322
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