SWR2 Wort zum Tag

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Nicht gleich verzagen! Diese Erfahrung habe ich als Jugendlicher bei einem Kletterkurs in den Dolomiten gemacht. Gleich nach der Ankunft bin ich mit ein paar anderen losgestürmt und, obwohl völlig ungeübt, gleich die nächstbeste Wand hochgeklettert. Es kam wie es kommen musste, nach kurzer Zeit hingen wir fest. Und die Kraft in Armen und Beinen begann zu schwinden. Zum Glück hatte der Leiter unser Verschwinden recht bald bemerkt und lotste uns wieder nach unten. Danach gab es eine ordentliche Standpauke. 

Als ich damals etliche Meter über dem Boden in der Wand hing, habe ich eine große Verzagtheit gespürt: Wie sich das anfühlt und was es mit einem macht. Und nach der anschließenden Standpauke hat sie nicht gleich nachgelassen. 

Das war nicht das einzige Mal in meinem Leben, dass ich verzagt war. Ich bin es an meinem ersten Schultag gewesen und auch bei unseren Umzügen, als ich mich in der neuen Stadt und Umgebung zurechtfinden musste, weil alles so fremd gewesen ist. Ich glaube, jeder erinnert sich an seine eigenen Momente der Verzagtheit. Momente, in denen man sich schwach fühlt, ohne Kraft und Mut. 

Heute weiß ich, es gibt Gegenkräfte gegen Verzagtheit. Paulus hat recht, wenn er sagt: Gott hat uns nicht gegeben einen Geist der Verzagtheit, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit (2.Tim 1,7). 

Als wir damals verzagt in der Wand hingen, hat unser Leiter uns Mut gemacht, wieder zurück zu klettern. Er hat uns Kraft gegeben und uns mit behutsamen Anweisungen den Weg zurück finden lassen. Durch seine ruhige und besonnene Art ist keiner in Panik verfallen und wir sind alle wieder wohlbehalten auf sicherem Boden angekommen. 

Auch in anderen Situationen habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, wie mir dieser Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit aus meiner Verzagtheit herausgeholfen hat. Manchmal waren es andere, die sie mir zugesprochen haben. So wie der Leiter damals im Klettercamp. Ein anderes Mal war es ein Gebet. Oder einfach ein Innehalten und sich wieder sammeln. Auch im Austausch und in der Gemeinschaft mit anderen. Ich war erschöpft und habe zu neuer Kraft gefunden. Nach einem Streit konnte ich mich wieder versöhnen. Was unüberlegt war, habe ich noch einmal überdacht. 

Kraft, Liebe, Besonnenheit. Nicht verzagt sein. Das wünsche ich Ihnen. Heute für diesen Tag. Und für die Zukunft.

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