Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

29AUG2019
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Autounfall mit Totalschaden. Der Fahrer kommt Gottseidank heil davon. Aber er hat jetzt kein Auto mehr. Das bekommen die muslimischen Nachbarn mit. Und so kommen zwei und jeder bietet ihm an, dass er sein Auto haben könne, wenn er es braucht, er solle es nur sagen. Und dann kommt noch ein dritter Nachbar, die Hände auf dem Rücken verschränkt. Er sagt zu dem Unglücksfahrer: „Ich weiß, dass Ihr für Euer Leben und für Eure Arbeit täglich auf ein Auto angewiesen seid.“ Dann holt er seine Hände hinter dem Rücken hervor. Darin hält er die Fahrzeugpapiere und Schlüssel seines eigenen Autos: „Hier hast Du mein Auto, es steht vor der Tür. Du kannst es benutzen, so lange Du es brauchst.“ Zwei Monate hat es gedauert, bis das neue Auto da war; und in dieser Zeit ist der Nachbar zu Fuß zu seiner Arbeit gegangen …

Das hat ein Pater erlebt, der in einem Kloster mitten in Marokko lebt. Für ihn ist es eines von vielen Beispielen für die Freundschaft der muslimischen Nachbarn mit ihnen, den christlichen Mönchen. 

15 Tage war ich mit einer Gruppe auf Studienreise durch Marokko, einem islamischen Land. Manche von uns waren gespannt, wie die Menschen dort so sind. Und wir kamen mit äußerst positiven Eindrücken zurück. Wir waren angetan von der herzlichen Offenheit und Gastfreundschaft der Leute. 

Diese Haltungen hängen auch mit ihrem islamischen Glauben zusammen. Wir haben in Marrakesch erlebt, wie 10.000 Menschen nach dem Freitagsgebet aus der Koutoubia-Moschee geströmt sind – jeden Freitag kommen so viele in die Hauptmoschee der Stadt – als deutscher Pfarrer könnte man neidisch werden! 

Das fünfmalige Gebet am Tag prägt die Menschen. Sie leben in der inneren Verbindung mit Gott. „Inschallah!“ / „So Gott es will!“ – diese Redewendung ist oft zu hören, wenn etwas geplant wird. Gott, Allah, hat mir ihrem Leben etwas zu tun. 

Und die Grundwerte, die der islamische Glaube vermittelt, prägen auch das Zusammenleben wohltuend. Die Menschen haben einen Sinn für das Miteinander. Man schaut aufeinander und sorgt für die anderen, gerade auch in der Familie. Die Gastfreundschaft ist heilig. Wir haben herzliche Hilfsbereitschaft erlebt. So geht manches gelassener und lockerer als bei uns, auch der Straßenverkehr. Davon könnten wir etwas lernen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29296
weiterlesen...