SWR2 Wort zum Tag

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Ich glaube, dass Gott mich manchmal führt in meinem Leben. Ich weiß, das ist eine kühne Behauptung. Aber hören Sie, was mir passiert ist:

Ich war mit meiner Frau im Urlaub in den Pyrenäen. Sie wälzt eine Karte mit Touristenattraktionen. Und dann bleibt ihr Finger an einem Symbol hängen, das aussieht wie gestapelte Hinkelsteine bei Asterix und Obelix. „Dolmen“, so heißen diese alten Grabstätten eigentlich. Und hier in den Pyrenäen gibt es einige davon. Allerdings meistens ziemlich versteckt. Aber für meine Frau ist klar: „Da will ich hin!“, und damit legt sie das Nachmittagsprogramm fest.

Die Anfahrt sieht auf der Karte lang und mühsam aus. Außerdem ist das Dolmen-Symbol nur sehr ungenau auf der Touristenkarte platziert. Irgendwo in der Nähe der beiden Bergdörfer Franès oder Brangoly.

Und tatsächlich kurven wir ganz schön durch die Pyrenäen-Pampa. Mehr Schotterweg als Straße und Kurven über Kurven. Schließlich landen wir in Franès. Drei Häuser, eine Straße - aber weit und breit kein Dolmen.

Immerhin gibt es ein Pappschild auf dem noch das zweite Dorf angeschrieben steht: Brangoly. Aber dann mitten auf der Straße eine Vollsperrung. „Dorffest, keine Durchfahrt“ steht da. Und keine Wendemöglichkeit, na prima. Die Dolmensuche scheint nicht gerade unter einem günstigen Stern zu stehen. Ich denke: OK, dann halt im Rückwärtsgang zurück nach Franès. Aber innen an der Kofferraumscheibe surrt ein riesiges Insekt. Meine Frau hat ein Herz für Tiere und will es erst freilassen. Sie - raus aus dem Auto und nach hinten, um den Kofferraum zu öffnen.

Kurze Pause, dann ein ungläubiger Aufschrei von ihr: „Du, hier steht ein Schild: Dolmen – 50 Meter“. Tatsächlich. An einem Telegraphenmast gegen die Fahrtrichtung hängt ein abgeblättertes rundes Holzschild. Aus dem fahrenden Auto heraus unmöglich zu sehen. Nur dank einiger Umstände haben wir unser Ziel schließlich erreicht: Wir wären nie am Dolmen gelandet ohne Vollsperrung, Rückwärtsgang, Insekt und Tierliebe meiner Frau.

Wir haben noch lange über dieses Erlebnis geredet und nachgedacht. Und irgendwie wollten wir beide nicht so recht an Zufall oder Glück glauben. Uns kam es so vor, als ob uns eine unsichtbare Hand geführt hätte. Das ist nicht immer so, aber es war im Nachhinein ein tolles Gefühl.

Ich habe die Hoffnung, dass ich manchmal im Leben tatsächlich geführt werde. Und vielleicht gerade dann, wenn´s eigentlich nach Vollsperrung aussieht. (377)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29249
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