SWR3 Gedanken

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04SEP2019
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Kann Beten den Lauf der Geschichte verändern? Ein Paradebeispiel dafür, dass Beten etwas bewirken kann, sind in meinen Augen die Leipziger Friedensgebete. 1982 hat ein kleines Grüppchen um einen Diakon damit begonnen. Sie haben sich immer montagabends in der Nikolaikirche getroffen, um gegen das Wettrüsten zu beten und für mehr Freiheiten. Die Teilnehmerzahlen sind jahrelang vor sich hin gedümpelt, aber ab 1988 kamen immer mehr um zu beten. Und manchmal stand man auch noch danach auf dem Kirchhof der Nikolaikirche zusammen. Daraus haben sich dann die Montagsdemos entwickelt. Die erste hat heute vor genau 30 Jahren stattgefunden mit ungefähr 1.200 Beteiligten. 

Ein Monat später waren es schon über 100.000 und im November dann eine halbe Million. Andre Rotter war damals dabei und wundert sich heute noch, dass alles gewaltfrei abgelaufen ist. Er sagt: „Ich war erleichtert, wir haben getanzt, es war ´ne fantastische Stimmung. Das war der Augenblick auf den unsere Eltern schon gewartet haben.“ Andre ringt kurz nach Worten, und sagt dann: „Es war ein Wunder.“ 

Und - war es nun ein Wunder, dass die Staatssicherheit nicht ernsthaft eingegriffen hat? Oder sind einfach ein paar günstige Momente zusammengekommen? Zum Beispiel, dass der Zeitpunkt gut gewählt war. Oder dass die Kommunikation der SED-Funktionäre nicht ganz klar war. 

Ich als Christ glaube, dass Gebete eine besondere Kraft entwickeln können. Aber ich kann nicht automatisch davon ausgehen, dass wenn ich nur genug bete, dass es dann auch klappt. Ich bin überzeugt, dass Gebete diejenigen verändern, die beten. Die Menschen, die vor 30Jahren aus der Nikolaikirche geströmt sind, haben alle Kerzen in der Hand gehalten und sehr friedlich ausgesehen.

Und das kann schon den Lauf der Geschichte verändern.

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