SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

25AUG2019
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Heute möchte ich Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, mitnehmen nach Paris. Ich habe selber erst entdeckt, dass es in Paris mehr gibt als den Eiffelturm, den Louvre und Notre Dame. Es gibt dort Spuren, die mir für mein Christsein wichtig geworden sind. Natürlich ist Paris für viele die Stadt der Liebe. Ich möchte Sie einladen, mit mir eine Liebe zu entdecken, die tiefer geht als eine nur oberflächliche Sicht. Warum gerade heute?

Weil heute der Gedenktag von Ludwig IX. Ist, dem einzigen heiliggesprochenen König unter den vielen Königen, die Frankreich erlebt hat. Was ist an dieser Gestalt des 13. Jahrhunderts so besonders? Er zeichnet sich aus durch zwei Dinge: seine Liebe zu den Armen und sein Bemühen, mit Nachbarregenten bei Streitigkeiten einen friedlichen Weg zu finden. Beides, das Persönliche wie das Politische, sind seinem Herzen entsprungen. Auf diese Herzsuche in Paris möchte ich mich mit Ihnen begeben.

Wir gehen vorbei an Notre Dame. Seit dem Brand können wir sie nur von außen und in sicherem Abstand bestaunen. Wir überqueren eine Brücke und sind im malerischen Künstlerviertel St Louis, eben des hl. Ludwig. Wir betreten seine Kirche und denken dankbar an diesen König, der das Herz auf dem rechten Fleck gehabt hat.

Danach gehen wir in die älteste Kirche von Paris: St Germain-des-Prés, gegenüber dem berühmten Café de Flore, wo Sartre und seine Freunde ihre Gedanken ausgetauscht haben über die Philosophie des 20. Jahrhunderts. In der Kirche finden wir eine Gedenkplatte für den Begründer der neuzeitlichen Philosophie: René Descartes. Von Haus aus Mathematiker will er den Menschen der Neuzeit helfen, sich wieder zu orientieren. 

Kopernikus hat ja die Sternbahnen erforscht und gemerkt, dass nicht die Sonne sich um die Erde dreht, sondern umgekehrt die Erde um die Sonne. Kepler aus Weil der Stadt hat das Fernrohr erfunden und dadurch die Astronomie bereichert. So haben beide das bisherige Weltbild erschüttert. Jetzt ist die Erde nur noch ein winziger Punkt im riesigen Weltall. Alles, was bisher Halt gegeben hat, ist ins Wanken geraten. Descartes will einen sicheren Halt und findet ihn – jetzt wird es spannend - im Zweifel. Ja, er hat gemerkt: an allem kann ich zweifeln, an allem, nur nicht an einer Tatsache, nämlich dass ich zweifle. So hilft mir der Zweifel, dass ich merke: ich bin in der Welt, ich kann denken, ich spüre aber auch meine Grenzen.

Außerdem birgt der Zweifel die Gefahr in sich, dass ich verzweifle. Davor fühlt sich Descartes bewahrt, weil er merkt: In mir selbst gibt es Dinge, die mir einfach geschenkt sind, zB dass es einen Gott gibt, der es gut mit mir meint. Beweisen kann ich ihn nicht, aber im Herzen spüren. Dies wird uns dann in unserer nächsten Kirche in Paris bewusster.

Teil 2: Ich spreche heute in den SWR4-Sonntagsgedanken über eine geistliche Reise nach Paris. Wir steigen hinauf auf den Berg der Stadtpatronin von Paris, der hl. Genoveva. Ihr Grab wird in der Kirche St Etienne du Mont verehrt. Wir gehen in den Chorraum der Kirche und stoßen auf eine unscheinbare Grabinschrift mit dem Namen Blaise Pascal. Auch Mathematiker wie sein Zeitgenosse Descartes. Aber er entdeckt nebst der Vernunft ein anderes wichtiges Zentrum des Menschen: das Herz. Sein berühmter Gedanke heißt: Le coeur a ses raisons que la raison ne connâit point – das Herz hat seine Vernunftgründe, die die Vernunft nicht kennt.

Die Logik des Herzens! Sie begleitet uns die nächsten 3 Tage in Paris, besonders wenn wir den andern Berg besteigen, den Montmartre mit seiner Herzbasilika Sacré Coeur. Wir feiern nebenan Gottesdienst in der drittältesten Kirche von Paris, St Pierre de Montmartre. Wir spüren in dieser Feier: Gott ist barmherzig, er hat ein Herz für uns. Er verurteilt uns nicht oder bestraft uns gar. Er fühlt mit uns und lädt uns ein, ein Herz füreinander zu haben.

Das hat auch jener Heilige gehabt, der hier auf dem Montmartre im wahrsten Sinn des Wortes seinen Kopf verloren hat: Dionys oder St Denis, der erste Bischof der Stadt. Ums Jahr 250 ist er hier enthauptet worden, weil er nicht den Gott Mars angebetet hat, sondern den Gott Jesu Christi. Die Legende erzählt, dass der Enthauptete dann mit dem Kopf unterm Arm 6 km nach Norden gegangen ist, wo heute die prächtige Kathedrale St Denis steht. Sie entschädigt uns auch für Notre Dame.

Diese Legende sagt mir: Wenn ich mit dem Kopf durch die Wand will, erreiche ich nichts und tu mir bloß weh. Wenn ich den Kopf ans Herz nehme wie Denis, das heißt: wenn ich auf meine Gefühle achte und mich selber einfühle in den andern Menschen, wenn ich nicht bloß äußerlich urteile oder gar verurteile, sondern den Andern im Innern zu verstehen suche, dann finde ich einen guten Weg.

Ja, es lohnt sich, nach Paris zu fahren, der Stadt der Liebe, wo es so viel zu entdecken gibt. Erfüllt besteigen wir abends den TGV und sind 3 Stunden später wieder in Stuttgart. Uns bleibt die Botschaft, ein Herz füreinander zu haben, damit es in unserer Welt und unseren Beziehungen wärmer wird. Das Herz findet immer einen guten Weg!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29238
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