Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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28AUG2019
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Scherben auf dem Fahrradweg. Wieder einmal hat jemand eine Flasche auf dem Radweg zerschlagen und die Scherben nicht weggeräumt. Bei mir mischen sich Ärger und Vorsicht, denn ich will mir meinen Reifen nicht zerschneiden. So auch der Fahrradfahrer unmittelbar vor mir. Der fährt abrupt langsamer, um die Scherben zu umrunden. Denke ich. Doch der Radler hält an, stellt sein Fahrrad ab und beginnt die Scherben vom Weg zu räumen. Nicht nur für sich, sondern für alle, die nach ihm kommen.

Ich bin der einzige, der das sieht und ihm danken kann. An diesem Tag sind sicher noch viele andere auf dem Radweg unterwegs ohne zu wissen, dass ihnen jemand den Weg frei gemacht hat.

Jesus beantwortet die Frage, wer mir als Nächster so nahe steht, dass ich ihm helfen muss, mit einer Geschichte. Er erzählt vom barmherzigen Samariter, der einem ihm wildfremden Verbrechensopfer hilft.  Die Antwort Jesu ist: Jeder, der Dich braucht und dem Du helfen kannst, ist dein Nächster.

Durch das Beispiel des Fahrradfahrers ist mir deutlich geworden, dass mit dem Nächsten nicht nur der räumlich Nächste gemeint ist, so wie die englische Bibel das Wort „Nächster“ mit „Nachbar“ übersetzt.

Ich glaube nämlich, dass der Fahrradfahrer nicht nur den räumlich Nächsten im Blick hatte.  Nein, er hat den Weg frei geräumt für alle, die an diesem Tag noch kommen. Für alle, die als Nächste kommen. Die Nächsten, das sind auch die, die nach mir kommen, selbst wenn ich sie gar nicht kenne.

Für mich ist das Handeln des Radlers ein Bild für größere Zusammenhänge: Die Scherben, die wir heute liegen lassen – im Umweltschutz, in der Klimapolitik, auf der Suche nach Gerechtigkeit und Frieden, in der Flüchtlingspolitik -,  diese Scherben können wir vielleicht gerade noch umrunden. Aber sie gefährden diejenigen, die nach uns kommen.

Jesus ruft uns auf, unsere Nächsten so zu lieben wie uns selbst. Das sind gewiss diejenigen, die hier und heute unsere Hilfe brauchen und denen wir helfen können. Es sind aber auch diejenigen, die nach uns als Nächste kommen. Wie auf dem Fahrradweg. Wir sollten ihnen keine Scherben hinterlassen

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29237
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