SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Ein Bild aus diesem Sommer: Eine junge Frau steht zwischen verunglückten Fahrzeugen auf einer Schnellstraße. Sie schreit verzweifelt: „Ich bin schuld, ich bin schuld!“

Wahrscheinlich ist dem tatsächlich so:  Die Polizei hat die Frau als Unfallverursacherin ermittelt – sie ist auf gerader Strecke unkontrolliert auf die Nebenfahrbahn geraten. Weil sie durch ihr Smartphone abgelenkt war.

Jedes Jahr passieren mehr Unfälle durch Handy-Ablenkung; ihre Zahl ist längst höher als die der Unfälle durch Alkoholeinfluss. Was vielleicht weniger bekannt ist: allein durchs Telefonieren beim Autofahren sinkt die Aufmerksamkeit ziemlich stark; unsere Reaktionsfähigkeit ist dann vergleichbar mit der eines angetrunkenen Fahrers mit 0,8 Promille Alkohol im Blut.

Es wird Zeit, dass unser Verkehrsrecht so geändert wird, dass es endlich zur Abschreckung taugt: Derzeit muss man beim Bedienen von Handys oder anderen elektronischen Geräten am Steuer, selbst bei einem Unfall mit Sachschaden, gerade einmal 200 Euro bezahlen. Und den Führerschein für einen Monat abgeben. 

Was sich genau abgespielt hat in den Sekunden vor dem Unfall, kann ich nicht sagen. Aber die Hirnforschung hat eindeutig bewiesen, dass wir Menschen nie zwei Dinge gleichzeitig mit derselben Aufmerksamkeit ausführen können. Das Smartphone zu bedienen unterbricht also eine andere Tätigkeit oder zieht zumindest die volle Aufmerksamkeit von dort ab.

Eine Studie liefert erschreckende Zahlen: Im Durchschnitt nehmen Smartphone-Besitzer ihr Handy 53 Mal am Tag in die Hand! Die Schlafenszeiten abgezogen, unterbrechen wir also alle 18 Minuten das, womit wir gerade beschäftigt sind.

Auf einer Internetseite habe ich etwas gefunden, das sich mit einem Leben in digitaler Balance beschäftigt, also mit dem richtigen Maß zwischen online sein auf facebook, Instagram, WhatsApp oder sonstigen Diensten – und eben offline sein, nicht in den Medien. Dort stand folgendes Zitat:

„Digitale Störungen nicht ständig zuzulassen, das ist auch eine existenzielle Angelegenheit. Weil sie uns sonst das Leben versauen.“

Smartphone bedienen und gleichzeitig Autofahren kann zur fatalen Kombination werden: Die Aufmerksamkeit für den Straßenverkehr wird unterbrochen. Womöglich in einem entscheidenden Moment. In einem existentiellen, in einem, der das Leben „versaut“- oder schlimmer noch, zerstört. So wie bei dem geschilderten Unfall: Ein junger Motorradfahrer hat dabei sein Leben verloren. Und die unverletzt gebliebene junge Frau, noch keine 20 Jahre alt, wird für den Rest ihres Lebens eine große Last tragen. Es bleibt nur zu hoffen, dass sie Menschen an ihrer Seite hat, die sie stützen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29185
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