Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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07AUG2019
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Die Bundeskanzlerin zittert. Nur hin und wieder, gelegentlich. Sie selbst meint, dass das wohl auch noch einige Zeit so bleiben wird, und macht weiter kein Aufhebens davon. Wenn ihr zum Beispiel das Stehen beim militärischen Zeremoniell für einen Staatsgast zu viel wird, lässt sie sich inzwischen  einen Stuhl bringen. Ansonsten geht sie ihrer Arbeit nach und macht ihren Job. Wie das übrigens viele Menschen landauf, landab tun, die mit einer Beeinträchtigung oder einer chronischen Krankheit leben und arbeiten müssen. Klar, die Arbeit muss passen. Manchmal geht gar nichts mehr. Aber oft geht eben sehr viel, sogar erstaunlich viel. Man arrangiert sich, sucht nach Lösungen, schaut, was der konkrete Mensch braucht.

 

Ein berühmtes Beispiel für einen Menschen in so einer Situation ist der Apostel Paulus. Er hat es wie die Kanzlerin gemacht und nicht verraten, was ihm fehlt. Seine Krankheit nennt er Pfahl im Fleisch, das heißt, sie war wohl schmerzhaft. Und dennoch ist er als Bote für Gottes Liebe kreuz und quer um und über das Mittelmeer gereist. Hat gepredigt, Gemeinden gegründet, nebenher als Zeltmacher seinen Unterhalt verdient. Von seiner Krankheit spricht er nur, damit die Menschen verstehen, was mit ihm ist, und nicht erschrecken.  Und um andere zu trösten, denen es genauso geht: Er hat nämlich in seiner Krankheit gemerkt: Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig. So schreibt er das in einem Brief und er schreibt auch: wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.

Eine ganz besondere Erfahrung ist das! Paulus hat erfahren, dass durch seine Erkrankung eine ganze Menge positive Energie frei gesetzt wird, Gottes Kraft. Dadurch schafft er Sachen, die er sich sonst gar nicht zugetraut hätte. Und das ist nicht nur wichtig für ihn, sondern auch für andere: Die Welt gehört nicht nur den Starken und Gesunden.  Wie er und die anderen mit seiner Schwäche umgehen, das ist ein Zeichen dafür, wie es unter uns zugehen soll. Ein Mensch mag zittern – aber unser Miteinander soll  keine Zitterpartie sein. Schwäche gehört dazu. Und wo die Schwäche einzelner dazugehört, da sind wir als Gemeinschaft stark.

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