SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Schon die ersten Christen sind als Gutmenschen beschimpft worden – auch wenn es das Wort damals sicher noch nicht gab. Vor allem, wenn sie erzählt haben, was für Gott und mit Gottes Hilfe alles möglich ist, dann mussten sie sich sagen lassen: Ihr spinnt ja. Ihr seid ja betrunken (Apg 2, 1-13)! Den Jüngern von Jesus ist das passiert. Dabei hatten sie bloß erzählt, was sie von Jesus gehört und bei ihm erlebt hatten. Zum Beispiel hatte er gesagt: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Richtet nicht über andere. Verdammt sie nicht. Vergebt ihnen und gebt ihnen (Lk 6, 36f)

Vielleicht kommt Ihnen das verwegen vor. Vergebt den anderen. Gebt ihnen. Seid barmherzig! Barmherzig wie Gott! Kann das sein? Dass Jesus Sie und mich mit Gott vergleicht? Was verlangt er da? Was traut er uns zu?

Die das damals gehört haben, haben sich Sorgen gemacht. Was soll das werden, haben sie gesagt. Wo kämen wir denn da hin? Wir haben nichts abzugeben. Uns schenkt auch keiner was. Viele sagen bis heute, es sei realistisch, so zu denken. Wo kämen wir hin, wenn wir mit Barmherzigkeit unsere Welt gestalten würden? Würden uns dann die anderen nicht auf der Nase herumtanzen? Wahrscheinlich hat Jesus damals doch nur von den Zuständen im Himmel geredet. Wenn es da barmherzig zuginge – das wäre gut. Selbstverständlich.

Natürlich, ich weiß: Unsere Welt ist nicht der Himmel. Und auch nicht das Paradies. Wir Menschen haben manches verkommen lassen, was Gott einmal sehr gut geschaffen hat. Deshalb gibt es keine einfachen Lösungen. Es muss Strafe und Gericht geben für die, die Unrecht  getan  haben. Aber wir könnten uns mehr Mühe geben und sie wieder eingliedern in unsere Gesellschaft. Denen eine zweite Chance geben, die die erste  nicht gleich genutzt haben. Wir können die Probleme der Welt nicht alle hier in unserem Land lösen. Aber abgeben und teilen, damit man auch anderswo gut leben kann – das könnten wir schon. Verzichten und anders leben – damit die Welt bewohnbar bleiben kann – das könnten wir schon.

Menschen, die das versuchen, vertrauen darauf, dass für Gott nichts unmöglich ist. Sie vertrauen auf Gott. Gottvertrauen – das ist ein anderes Wort für Glauben. Menschen, die an ihn glauben, denen traut Gott eine Menge Gutes zu. Ich glaube: Er freut sich über Gutmenschen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29143
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