SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Ich versuche morgens immer an etwas zu denken, wofür ich dankbar sein kann. Damit ich gut in den Tag komme. Irgendetwas findet sich immer zum Danken: ich kann aufstehen, ein heller Tag, wichtige Menschen und vieles mehr.

Aufgefallen ist mir vor kurzem. Mein Dank schließt selten ein, dass ich in einem funktionierenden Rechtsstaat leben kann. Dabei ist er für das Leben fundamental.

Woran liegt das? Ist mir der Rechtsstaat zu selbstverständlich? Oder stimmt der Vorwurf des Publizisten Arnd Henze: „Christen und Kirchen sind immer noch weit davon entfernt, das Recht wirklich wertzuschätzen.“ Frieden, Erziehung, Umwelt. Viele Themen seien Christen und Kirchen heute wichtig. Ein freies Rechtssystem, das würden wir zu wenig wertschätzen, so der Vorwurf.

Dabei: Gerade für Christen und Juden hat Recht einen sehr hohen Stellenwert. Wie ein roter Faden zieht sich die Sorge um Recht und Gerechtigkeit vor allem durch das Alte Testament. Wie wichtig es ist, sieht man daran, dass Gott selber seinem Volk Rechtssätze gibt. Die 10 Gebote. Die Menschen brauchen sie, damit sie menschengemäß leben können. In Freiheit. Nach dem Auszug aus der Sklaverei in Ägypten.

Ich glaube, man kann sagen: Im Alten Testament ist die Frage nach dem Recht der Testfall dafür, wie ernst die Menschen Gott nehmen. Und die Prüffrage heißt: Wie steht es im Land: hat das Recht die Macht oder steht die Macht über dem Recht? Das Alte Testament erzählt immer wieder von Propheten und Prophetinnen, die diese Prüffrage im Auftrag Gottes stellen. Immer an denselben Punkten. Wie steht es mit dem Recht der Schwachen? Der Armen? Der Witwen und Waisen? Der Fremden im Land?

Der Prophet Amos zB. hat da ein sehr kantiges Urteil gefällt. Über die politisch Mächtigen sagt er: Sie achten kein Recht, spricht Gott, sie horten Gewalttat und Raub in ihren Palästen. Über die herrschende Priesterschaft meint er: Gott will ihre Altäre heimsuchen. Und Jesaja nimmt sich die Eigentumsverhältnisse vor: Weh denen, die ein Haus zum andern bringen und einen Acker an den andern, bis kein Raum mehr da ist und ihr allein das Land besitzt.

Das Recht soll eine Macht sein. Und Christen sollen mit aufpassen, dass Menschenrechte gelten, für Schwache, Fremde, Arme, für Kinder.

Umgekehrt hat der Rechtsstaat auch die Pflicht, zu prüfen, ob in den Kirchen Menschenrechte geachtet werden. Auf jeden Fall: ich werde öfter dankbar sein für das Rechtssystem und die Menschen, die es tragen und verbessern.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29140
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