SWR2 Wort zum Tag

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"Was jetzt als neuer Gedanke hindurch muss ... ist ein internationaler Himmel.“
Der württembergische Pfarrer Christoph Blumhardt hat das vor über hundert Jahren gesagt. Er war sich sicher: Der Himmel, der Ort, auf den Christen hoffen, ist derselbe für alle Menschen – egal, welcher Nationalität sie sind. Und wer auf einen gemeinsamen Himmel hofft, darf auch auf Erden nicht gegeneinander arbeiten oder gar kämpfen: „Es gibt keinen deutschen Himmel mehr, keinen englischen, keinen französischen...“

Als Blumhardt seine Idee vom „internationalen Himmel“ 1888 in einer Predigt vorstellte, war das ein revolutionärer Gedanke. Militarismus, Kolonialismus und Nationalismus prägten das deutsche Kaiserreich – und die evangelische Kirche trug diese Vorstellungen mit.

Anders Christoph Blumhardt, der heute vor hundert Jahren gestorben ist. Sein Glaube war geprägt von der Hoffnung auf das Reich Gottes – die neue, bessere Welt, die Jesus erwartet und gepredigt hat. Im Laufe seines Lebens wurde Blumhardt immer deutlicher: Diese Hoffnung ist nichts Jenseitiges, sondern hat mit unserem konkreten Leben hier und heute zu tun: „Schon frühe fand ich“, schreibt er, „dass für mich eine Religion keinen Wert hat, wenn sie nicht die Gesellschaft ändert, wenn sie mir nicht schon das Glück auf Erden verschafft. So habe ich meine Bibel, so habe ich meinen Christus verstanden.“

Blumhardt wollte, dass seine Idee eines „internationalen Himmels“ auch auf Erden etwas verändert. Deshalb hat er sich der Arbeiterbewegung zugewandt. Dort hat er die internationale Perspektive gefunden, die er in seiner Kirche vermisste. Und er ist zum Entsetzen der Kirchenleitung 1898 in die SPD eingetreten, woraufhin ihm nahegelegt wurde, auf seinen Pfarrertitel zu verzichten. Er dagegen hat diesen Schritt als Ausdruck seines persönlichen Glaubens an Jesus gesehen.

Mich beeindruckt, welche klaren Konsequenzen Blumhardt aus seinem Glauben gezogen hat. Und ich finde: Seine Idee von einem internationalen Himmel ist heute wieder ganz aktuell. Obwohl sie schon damals nicht neu war. „Da ist nicht mehr Grieche oder Jude, Beschnittener oder Unbeschnittener, Nichtgrieche, Skythe, Sklave, Freier, sondern alles und in allen Christus“ (Kolosser 3,11) –  steht schon im Kolosserbrief in der Bibel.

Heute erwacht der Nationalismus in vielen Staaten neu. Deshalb finde ich es wichtig, dass Christen sich auch jetzt politisch einsetzen – für eine globale Perspektive und einen starken Zusammenhalt in Europa. Und so deutliche Worte finden wie Christoph Blumhardt vor über hundert Jahren: „Auf unserem nationalen Bewusstsein können wir kein Volk Gottes werden“, sagt er.

Einen internationalen Himmel, auf den hat Blumhardt gehofft. Ich tue das auch. Weil ich glaube: Einen anderen gibt es nicht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29137
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