Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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30JUL2019
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Was bleibt übrig, wenn ein Mensch stirbt und uns für immer verlässt? In unserm wohlhabenden Land in der Regel eine ganze Menge. Und je größer das Haus oder die Wohnung gewesen ist, umso größer auch der Berg an Möbeln, Kleidern und Gegenständen, die nun von einem Tag auf den anderen nutzlos geworden sind. Manchmal sieht man dann Berge von Sperrmüll vor einem Haus liegen. Dinge, die niemand mehr haben will.

In Japan hat eine junge Frau daraus ein Geschäft gemacht. Zum einen, weil Müllentsorgung in Japan offenbar ziemlich teuer ist und Dinge darum eher mal ein zweites Leben bekommen. Zum anderen aber auch, weil die Sachen, die sie aus fremden Wohnungen räumt, für sie mehr sind als nur nutzlos gewordener Krempel, den man noch zu Geld machen kann. Jedes Stück, das sie dabei in die Hand nimmt, so sagt sie, behandle sie mit besonderem Respekt. „Ich denke an die Toten, während ich ihre Zimmer leerräume. Ich stelle mir vor, was für eine Person dieser Mensch war“. Nicht alles, was sie da findet, ist noch zu gebrauchen. Aber in den Habseligkeiten eines Menschen lebt immer etwas von diesem Menschen fort, davon ist die junge Japanerin überzeugt.

Ein schöner Gedanke, finde ich: Respektvoll mit Dingen umzugehen, die einem anderen Menschen in seinem Leben wichtig waren. Nicht nur, weil es ein Statement ist gegen die verbreitete Ex- und Hopp-Mentalität. Sondern weil es auch ein Statement ist gegen das Vergessen. Meine Geige, auf der ich hin und wieder spiele, dürfte gut 100 Jahre alt sein. Sie gehörte mal einem längst verstorbenen Orchestermusiker, der sie zum Üben genutzt hat. Manchmal, wenn ich sie in die Hand nehme und spiele, dann freue ich mich nicht nur darüber, wie schön sie klingt. Ich ertappe mich auch dabei, dass ich dabei an diesen Menschen denke, dem sie viele Jahrzehnte lang gehört hat und dem sie lieb und teuer war.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29098
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