SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Irgendwie habe ich mir Gott immer älter vorgestellt. Aber der Mann auf dem Bild ist Mitte 30, hat einen wachen, freundlichen Blick und lächelt. Er hat dunkles, leicht gelocktes Haar und ein Leuchten in den Augen. Sympathisch! Mit dem würde ich gerne mal ein Bier trinken gehen.

Dieses Bild von Gott gibt es wirklich. Ich habe es in einer US-amerikanischen Studie gefunden. Die Forscher haben 500 Christen befragt, wie sie sich Gott vorstellen. Und dann haben sie aus den Antworten ein Bild von Gott entworfen. Das Ergebnis der Studie: Wie alt die Leute sind und wie sie aussehen, beeinflusst das Gottesbild. Obwohl alle derselben Religion angehören, stellen sie sich Gott unterschiedlich vor. Die Studie zeigt, dass es so viele verschiedene Vorstellungen von Gott gibt, wie Menschen und dass sich das Gottesbild im Laufe des Lebens immer wieder verändert.

Als ich die Studie gelesen habe, hab ich über mein eigenes Gottesbild nachgedacht. Früher habe ich mir Gott oft als alten Mann mit Bart vorgestellt. So wie man das von Gemälden oder Kirchenfenstern kennt: Der weise Vater, der über allem wacht. In den letzten Jahren hat sich das verändert. Vielleicht weil ich inzwischen selbst Kinder habe und mit dem Vater-Sein ganz praktische Dinge verbinde wie Spaghetti klein schneiden und Kaufladen spielen. Heute denke ich an Gott eher als an eine Kraft, die alles durchdringt, die Menschen verbindet und die mich im Innern berührt. Es ist schwer zu beschreiben, wie sich das anfühlt: Vielleicht wie eine richtig heiße Tasse Tee an einem eiskalten Wintertag, die mich von innen her aufwärmt. Oder so wie die Freude, wenn ich eine alte Freundin treffe, die ich lange nicht mehr gesehen habe. Und plötzlich sind wir wieder eng verbunden, verstehen uns wie früher und sind uns nah.

Manchmal spüre ich diese Kraft, wenn ich mir Zeit nehme und bete. In einer Kirche, beim Spazieren über die Felder oder vor einer Prüfung. Manchmal überrascht sie mich aber auch im größten Trubel. Und dann spüre ich Gott in einem Blick, einem Lächeln oder einem Satz, den ich irgendwo lese.

Mein Gottesbild verändert sich immer wieder. Aber das darf es ja auch. Gott ist mir so nah und doch so unergründlich, dass ich immer wieder neue Seiten an ihm kennenlerne.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29075
weiterlesen...