SWR2 Wort zum Tag

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Immer höher hinaus – das ist ein uraltes Prinzip: sich selbst mit spektakulären Bauten eine unvergängliche Erinnerung stiften. Das lässt sich nicht nur kritisch gegen moderne Stadtplaner von Stuttgart über Berlin bis Dubai und Shanghai einwenden.

Eine biblische Geschichte erzählt vom Bau eines Hochhauses in antiker Zeit: In der orientalischen Stadt Babel wollten sich die Menschen ein einzigartiges Denkmal setzen. Einen Turm, dessen Spitze den Himmel berührt. Einen Wolkenkratzer im wahrsten Sinne des Wortes. Er sollte die einmalige Größe der Stadtväter demonstrieren. Er sollte von Macht und Genialität, von Erfindungsgeist und technischer Brillanz zeugen – und von religiöser Erhabenheit.

Es entstand ein Bauwerk, über dessen Fertigstellung die Menschen jedoch ihre Gemeinschaft einbüßten. Sie verstanden sich einfach nicht mehr. Offenbar ist die Arbeit an derart ehrgeizigen Projekten in hohem Maße konfliktanfällig.

Das ist kein Wunder: Es hängt einfach zu viel an persönlichem Engagement und Einsatz daran. Da ist man sehr empfindlich gegenüber jeder Kritik. Oder die Bauherren haben am Anfang zwar noch eine gemeinsame Idee, doch im Verlauf will schließlich jeder etwas anderes. Oder: Die Finanzierung läuft aus dem Ruder. Oder aber: Die Gesellschaft zerbricht an der Kluft zwischen den Planern und Bauherren einerseits und denen, die unter Einsatz ihres Lebens die Bauarbeiten ausführen. Beispiele dafür gibt es auch heute, etwa in den entstehenden Fußballarenen in Katar.

Die Bibel erzählt kurz und bündig, Gott habe die Sprache der Menschen verwirrt. Die sprichwörtliche babylonische Sprachenverwirrung ist für mich ein symbolischer Ausdruck für genau dies: Über einem so ehrgeizigen Projekt wie dem Turm von Babel verlieren die Menschen den Sinn für Gemeinschaft. Falscher Stolz endet im eigensüchtigen Chaos.

Der geplante Mega-Tower im Zweistromland ist das Produkt einer zutiefst eigennützigen Selbstdarstellung. Er ist das Sinnbild einer überstiegenen Allmachtsphantasie. Um dieses Statussymbol in Szene setzen zu können, werden Opfer gebracht. Sie heißen Völkerverständigung, soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit, öffentliche Sicherheit ... Das ist die Warnung, die von der alten und hochaktuellen biblischen Turmbaugeschichte ausgeht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29054
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