SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Wenn ich mir bewusst mache, dass ich eines Tages sterben werde, beschleicht mich ein mulmiges Gefühl. Meistens werde ich durch traurige Nachrichten daran erinnert: Da kämpft der Kollege mit dem Krebs, der vor kurzem noch Bäume ausreißen konnte. Oder ich erfahre vom Tod einer Bekannten, die ganz plötzlich verstorben ist. Da tut es mir gut, so ein schweres Thema mal mit etwas Humor anzugehen. So wie in einer alten Geschichte:

Ein König sitzt auf seinem Thron, vor ihm steht eine lange Schlange von Menschen. Nach und nach trägt jede und jeder ihm seine Bitten vor. Ärgerlich schaut der König auf, als er eine junge Frau sieht, die mit schnellen Schritten durch die Halle läuft.

„He“, ruft der König der Frau zu, „was ist denn mit Dir los? Was willst Du hier?“

„Was soll mit mir sein“, sagt die Frau. „Ich habe es eilig und wollte nur fragen, ob es in diesem Hotel noch ein Zimmer gibt.“

„Bist Du blind? Das ist mein Palast und kein Hotel.“ Das Gesicht des Königs verfärbt sich langsam.

 „So, so“ erwidert die Frau. „Und wer wohnte vor Dir hier?“

„Mein Vater“, antwortet der König stolz, „und davor mein Großvater und vor ihm mein Urgroßvater.“

Die Frau bleibt ganz gelassen und meint nur: „Die sehe ich hier aber nicht.“

„Weil sie längst gestorben sind“ sagt der König.

„Na siehst Du. Und nun wohnst Du hier für einige Zeit. Wir sind halt alle auf der Durchreise. Palast oder Hotel läuft für mich aufs selbe hinaus.“

Soweit die Geschichte. Wie leicht lassen wir uns davon blenden, wenn jemand viel besitzt oder mächtig ist. Doch die junge Frau zeigt durch ein paar einfache Fragen, dass wir alle nur auf der Durchreise sind. Sterben – so heißt der letzte Teil der Durchreise. Und ich hoffe, dass die letzte Reise ein Ziel hat. So verrückt es klingen mag: Ich glaube daran, am Ende tatsächlich in einem wunderbaren Palast aus Licht zu stehen. Dort empfängt uns Gott nach der Reise durch das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen, seinem Leiden und seinem Glück. Weil wir vor Gott alle Königinnen und Könige sind.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29003
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