SWR4 Sonntagsgedanken

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30JUN2019
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Die Muttersprachen der Liebe
Freunde von mir leben im Elsass. Er ist Franzose, sie kommt aus Deutschland. Als sich die beiden kennengelernt haben, konnte sie kaum Französisch und er kaum Deutsch. Das hat sich geändert: die beiden haben sich ineinander verliebt und nach und nach die Muttersprache des anderen gelernt. Heute können sich die beiden nicht nur irgendwie verständigen. Sie verstehen sich richtig gut – bis hin zum Heimatdialekt.

Mit der Liebe ist das ähnlich. Der Amerikaner Gary Chapman ist Pastor und Paarberater. Er sagt: Jeder Mensch hat eine „Muttersprache der Liebe“ Jeder liebt und will geliebt werden – auf seine je eigene Weise. Und wie bei der gesprochenen Sprache verstehen sich Menschen erst dann richtig gut, wenn sie bereit sind, sich auf die Liebessprache des anderen einzulassen.

Anerkennung ist so eine Sprache der Liebe. Chapman meint: Wem es leicht fällt, andere zu loben, der freut sich auch, wenn er selbst ein ehrliches Kompliment bekommt. „Du siehst aber gut aus, mein Schatz.“ Oder: „Du hast echt lecker gekocht.“ Es ermutigt und motiviert den Partner, wenn ich ihn immer wieder bestätige oder mich bei ihm bedanke.

Eine andere „Sprache der Liebe“ heißt Zweisamkeit. Wer diese Sprache bevorzugt, freut sich auch über ein Lob. Es bedeutet ihm aber nicht so viel wie die Zeit, die er mit einem verbringen kann. Und zwar ungeteilt und ungestört. Das kann ein Ausflug zu zweit sein, ein romantischer Abend oder ein Gespräch, bei dem ich ganz bewusst das Handy ausschalte.

Auch Geschenke können Liebe ausdrücken. Es heißt: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Und das stimmt. Wenn sie von Herzen kommen, zeigen sie mir, dass ich wertgeschätzt bin und gebraucht werde, dass jemand an mich denkt und sich mit mir beschäftigt. Geschenke – ob sie wertvoll sind oder nicht – können Liebe sichtbar machen. Darum streiten Ehepartner auch hin und wieder, wenn einer von beiden den Ehering nicht trägt, der für den anderen so wichtig ist: er steht schließlich für die Liebe, die die beiden verbindet!

Hilfsbereitschaft ist für Chapman eine vierte Sprache der Liebe. Wer anderen leidenschaftlich gerne hilft, freut sich, wenn er selbst geholfen bekommt. Das muss nichts Großes sein! Das Auto auftanken zum Beispiel oder die Garage aufräumen. Das reicht unter Umständen schon als Liebesbeweis.

Wer Zärtlichkeit besonders mag, fühlt sich geliebt, wenn er vom anderen berührt, umarmt und geküsst wird oder wenn er mit ihm schlafen kann. Wem diese „Sprache der Liebe“ liegt, der hält gerne mal Händchen, ist zärtlich und zeigt dem anderem so, dass er ihn liebt.

Jeder Mensch hat also seine Muttersprache der Liebe: Anerkennung oder Zweisamkeit, Geschenke, Hilfsbereitschaft oder Zärtlichkeit. Erst wenn ich mir das klar mache und schaue, welche Sprache ich selber spreche, bekomme ich ein Gefühl dafür, wie das beim anderen so ist.

Die Liebessprache des anderen lernen

Schwierig wird es, wenn ich eine andere Sprache der Liebe spreche als mein Gegenüber. Dann kann ich es noch so gut mit ihm meinen, ihn lieben und ihm das auch zeigen. Er wird es nicht verstehen. Wir reden dann an uns vorbei und kommen uns nicht näher. Ich kann meinen Sohn zum Beispiel immer wieder loben und ihm so zeigen, dass ich ihn liebhabe. Wenn er dafür Körperkontakt braucht, versteht er mich nicht; eine dicke Umarmung wäre dann viel hilfreicher. Meinem Kollegen kann ich regelmäßig etwas schenken; wenn er aber lieber ein „Danke“ hören möchte, also anerkannt werden will, dann bringt das nicht viel. Ebenso wenig versteht mich meine Frau, wenn sie Zeit mit mir verbringen will, ich aber den Rasen mähe und Sachen repariere, um ihr so zu zeigen, dass ich für sie da bin.

Gary Chapman behauptet: Wir kommen uns erst dann wirklich näher, wenn wir unsere Muttersprache der Liebe kennen und bereit sind, die des anderen wie eine Fremdsprache zu lernen. Zu lieben ist daher etwas anderes als verliebt zu sein. Denn ich entscheide mich bewusst dafür, mich auf den anderen einzulassen, mich in ihn reinzudenken und so an unserer Beziehung zu arbeiten. Auch wenn das mühsam ist und Kraft kostet.

Chapman hat das Modell der Liebessprachen für Paare entwickelt und dann auf andere Bereiche des Lebens übertragen. Er hat es zum Beispiel für Kinder, Teenager und Familien durchbuchstabiert, für Singles und Berufstätige. Besonders interessant finde ich, dass er auch Gott einbezieht. Chapman ist auch Pastor und er meint, dass die Art zu lieben beeinflusst, wie ich Gott höre, verstehe und erlebe. Wer die Zweisamkeit bevorzugt, kann Gott zum Beispiel finden, wenn er direkt mit ihm spricht, also betet. Anderen tut es gut, in der Bibel zu lesen, weil sie durch sie von Gott ermutigt werden. Manche lieben den Gottesdienst mit seinen Segensgesten und Gebetshaltungen, weil die körperlich erfahrbar sind. Wieder anderen begegnet Gott in den Menschen, denen sie helfen. Manche fühlen sich von Gott beschenkt, wenn sie erfolgreich sind; anderen ist es möglich, Gott einfach so im Alltag zu spüren – etwa wie es in einem Psalm heißt: Du, Gott, umschließt mich von allen Seiten (vgl. Ps 139).

Es gibt Tests, mit denen man rausbekommen kann, welcher Liebestyp man ist. Ich bezweifle, ob das mit ein paar Fragen wirklich klappt. Grundsätzlich glaube ich aber schon, dass jeder seine eigene Art hat, wie er liebt und geliebt werden will. Und ich bin mir sicher, dass es sich lohnt, die Liebessprache anderer zu lernen. Vor allem aber gefällt mir die Vorstellung, dass Gott alle Liebessprachen spricht. Denn das heißt ja, dass er und ich uns auf jeden Fall verstehen können, wenn wir es nur versuchen. Egal, welche Sprache ich spreche.

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Gary Chapman: Die fünf Sprachen der Liebe.

 

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