SWR2 Wort zum Tag

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Gleich zu Beginn, im ersten Kapitel seines Evangeliums, erzählt Lukas die Geschichte vom Besuch Marias bei Elisabeth. Maria, die werdende Mutter Jesu, und ihre Cousine Elisabeth. Auch sie ist schwanger. Die Geschichte dieser Begegnung zweier Frauen, die ein Kind erwarten, ist wie ein Gleichnis für Partnerschaft und Freundschaft und auch für die Begegnung von Menschen verschiedener religiöser Erfahrungen.
Maria – so heißt es – macht sich auf den Weg, um Elisabeth zu besuchen, nachdem sie selbst einen „Besuch“ empfangen hat. Ein Engel – sagt die Bibel – war bei ihr eingetreten und hatte zu ihr gesprochen, ihr die Geburt Jesu angekündigt. Maria hatte gehört, hatte gefragt und nachgefragt, hatte den Engel zum weiteren Sprechen bewogen – ein langes Gespräch wird uns von den beiden berichtet. Die innere Bewegung durch dieses Gespräch setzt Maria in äußere Bewegung um; sie bricht auf, um eine andere Frau zu besuchen.
Hier zeigt sich eine Dynamik, wie sie einer Partnerschaft oder Freundschaft innewohnt: Ich gehe auf andere zu, weil Menschen zuvor auf mich zugegangen sind. Ich lasse mich in Bewegung bringen durch das Interesse einzelner Menschen an mir und bewege mich nun auf andere zu. Spontan, ohne dass ich mich dafür rechtfertigen müsste. So etwas ist nicht machbar. Es geht auch unserem Wollen, unserer Entscheidung voraus – die dann erst darauf aufbauen.
Maria und Elisabeth haben gemeinsam, dass sie von einem neuen geheimnisvollen
Leben bewohnt sind. Wir dürfen in ihnen vielleicht auch all jene Menschen sehen, die von einer inneren Bewegung, einer Sehnsucht, einem Glauben, einer Hoffnung bewohnt – und in diesem Sinn vom Geist erfüllt sind. Was ereignet sich, wenn solche Menschen einander begegnen? Es ist, wie wenn zwei Bewegungen einander berühren und verstärken, wie wenn eine Hoffnung sich von der anderen inspirieren lässt, wie wenn ein Geist den anderen erkennt: Die Berührung, diese Inspiration, dieses Erkennen münden in einen Jubelruf, ein Freudenlied, das in der Bibel seinen schönsten Ausdruck im Magnifikat gefunden hat: „Meine Seele preist Gott“, singt Maria. „Er ist groß. Sein Name ist heilig. Sein Erbarmen gilt allen.“ (Vgl. Lk 1, 46 – 50) .
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