SWR2 Wort zum Tag

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Handwerklich bin ich unbegabt. Da bin ich mir sicher. Vor einiger Zeit allerdings hat jemand meine Überzeugung ins Wanken gebracht. Weil er das nicht einfach so akzeptiert hat, sondern meinte: „Mit den Händen arbeiten kann man üben. Man muss eben wollen. Und ein bisschen Geduld haben.“

Ich habe gemerkt: Die Überzeugung „Das kann ich halt nicht“ ist für mich auch eine praktische Entschuldigung, mich um manche Dinge nicht kümmern zu müssen.

Inzwischen ist mir klar geworden: Menschen leben oft mit einer ganzen Reihe solcher Glaubenssätze über sich selbst und das eigene Leben. Und manche davon sind nicht sehr hilfreich. Weil sie verhindern, dass man sich weiterentwickelt oder etwas verändert in seinem Verhalten oder seinen Beziehungen. Sätze wie: Ich habe immer zu wenig Zeit. Oder: Mich nimmt da doch keiner ernst. Oder: Mir wird nie was geschenkt.

Der Autor und Benediktinerpater Anselm Grün hat darüber ein kleines Buch geschrieben (Anselm Grün, Einreden – Der Umgang mit den Gedanken, Münsterschwarzach 18. Auflage 2006). Er hat entdeckt: Dieses Phänomen haben schon die christlichen Mönche in der Antike beschrieben. Einer von ihnen hat sechshundert solcher negativer Sätze gesammelt – und ihnen positive „Gegenworte“ aus der Bibel entgegengesetzt. Die alten Mönche waren der Überzeugung: Es ist nötig und möglich, den lähmenden oder schädlichen Gedanken zu widersprechen. Weil sie sich dann nicht breit machen und die eigenen Gefühle bestimmen können.

Für die Mönche war das keine allgemeine Erkenntnis, sondern eine ganz konkrete, praktische Übung. Von Abba Agathon, der oft zu schnell in seinem Urteil war, wird zum Beispiel erzählt: „Wenn er etwas sah und sein Herz über die Sache urteilen wollte, sprach er zu sich: „Agathon, tu das nicht!“ Und so kam sein Denken zur Ruhe. (zitiert bei Grün, Einreden, S. 33)

Auch das regelmäßige Rezitieren von Psalmen im Alltag erfüllte diesen Zweck: Wenn du dich vom Schlaf erhebst – so rät einer der alten Mönche – so öffne als allererstes deinen Mund und stimme Lieder und Psalmen an. Denn die erste Beschäftigung, mit der sich der Geist morgens abgibt, hält an, so wie ein Mahlstein den ganzen Tag über mahlt, was ihm vorgesetzt wird, sei es Unkraut oder Weizen. Daher sei du immer der erste, der Weizen hineinwirft, bevor dein Feind Unkraut hineinwerfen kann. (zitiert bei Grün, Einreden, S. 37)

Die negativen Gedanken der antiken Mönche, die in strenger Askese lebten, waren oft andere als unsere heute. Ihre Methode damit umzugehen, kann aber, glaube ich, auch heute noch hilfreich sein. Vielleicht sollte ich es auch mal mit einem Gegenwort probieren, wenn ich wieder einer praktischen Aufgabe aus dem Weg gehen will. Es ist ein köstlich Ding, geduldig zu sein (Klagelieder 3,26), heißt es ja zum Beispiel in der Bibel.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28884
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