SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Was für ein Vertrauen! Ein kleines Kind balanciert auf einer mannshohen   Mauer. Am Ende der Mauer angekommen schaut es hilfesuchend um      sich. Dann springt es blindlings in die Arme eines Mannes, der unten           steht. Anschließend erfahre ich: das war nicht blindlings. Denn der Mann    unten, der es aufgefangen hat, war sein Vater.

Ein solches Vertrauen haben wir als Erwachsene kaum noch. Da halten wir es eher mit dem Satz: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Aber was würde aus meinem Leben ohne Vertrauen? Ich könnte keinen Fuß mehr auf die Straße setzen. Ich würde in kein Wartezimmer mehr gehen. Ich müsste jede Freundschaft kündigen.

Denn ich vertraue darauf, dass alle Verkehrsteilnehmer sich an Regeln halten. Dass Ärzte mir kein Gift verabreichen. Und mein Freund mich nicht übers Ohr haut.

Klar, Vertrauen kann missbraucht werden. Darum werde ich darauf ach-    ten, nicht blind zu vertrauen. Aber ohne Vertrauen würde das Leben     erstarren.   

Heute beginnt in Dortmund der evangelische Kirchentag. Sein Motto heißt „Was für ein Vertrauen“. Zehntausende Teilnehmer werden erwarten. Wollen sich Gedanken machen über das, was unsere Gesellschaft zusammenhält. Über die Rolle von Religionen und des christlichen Glaubens. Und über die Basis von allem, ohne die nichts wachsen kann: Vertrauen.

Ich finde, es ist ein gut überlegtes Motto. Es stammt aus einer Geschichte der Bibel, die uralt ist. Das übermächtige Herr der assyrischen Streitkräfte ist gegen Jerusalem vorgerückt. Der judäische König Hiskia muss fürchten, im Kampf gegen die Großmacht unterzugehen. Der Feldherr des gegnerischen Heeres verspottet ihn : „Was ist das für ein Vertrauen, das du da hast? Auf wen verlässt du dich denn?“

Hiskia aber bittet Gott um die Rettung der Stadt. Und trotzt dem feindlichen Angriff mit Einfallsreichtum und Vernunft. Denn er legt nicht einfach die Hände in den Schoß. Sondern lässt einen Tunnel zur Wasserversorgung bauen und eine weitere Stadtmauer errichten. Und sichert so das Überleben der Stadt. Am Ende zieht das gegnerische Heer ab.

Was für ein Vertrauen! Ich glaube, dass es gut und wichtig ist, auch heute nach der Kraft des Vertrauens zu fragen. Auf einem Kirchentag genauso wie zu Hause in der Familie oder am Arbeitsplatz. Denn ich bin überzeugt: nicht Misstrauen und Zynismus, sondern Vertrauen ist die Brücke in die Zukunft.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28882
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