SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Es gibt Abende, da muss es einfach raus – vielleicht auch heute Abend. Dann komm ich nach Hause und rufe schon im Treppenhaus laut „Feierabend!“ Damit lasse ich alles hinter mir, was mich geärgert oder angestrengt hat. Und ich freue mich auf den Abend und aufs Wochenende.

Dieses „Feierabend“-Rufen ist auch Teil einer Legende. Es geht um eine Magd mit dem schönen aber heute seltenen Namen Notburga. Sie hat im 13. Jahrhundert in Tirol gelebt und soll bei einem Bauern gearbeitet haben. Eines Abends möchte der Chef die gesamte Erntemannschaft nochmal auf die Felder schicken um Weizen zu schneiden – obwohl die Kirchenglocken schon den Feierabend eingeläutet haben. Da kommt es zum Eklat: Die Magd Notburga brüllt laut „Feierabend!“ und wirft dabei ihre Sichel in die Luft.

Jetzt kommt der etwas unwahrscheinlichere Teil der Legende. Aber ich finde ihn wunderschön und deshalb erzähle ich auch so gerne davon: Die Sichel, die Notburga in die Luft wirft, bleibt mitten in der Luft schweben – so wie wenn man einen Film anhält. Es gibt alte Bilder, da wird Notburgas Sichel von Engeln gehalten, auf anderen bleibt die Sichel an einem Sonnenstrahl hängen. Auf jeden Fall sind überirdische Kräfte im Spiel. Gleich wie es war, der Bauer ist so beeindruckt oder verdutzt oder verängstigt, dass er Notburgas Feierabend-Forderung akzeptiert und alle Mägde und Knechte nach Hause schickt.

Für mich klingt das wie ein Tipp für alle, die zu Überstunden gezwungen werden. Von ihrem Chef oder von sich selbst. Ich stehe mir für einen rechtzeitigen Feierabend oft auch selbst im Weg. Nur noch kurz die Mails checken. Und den letzten Punkt von meiner To Do Liste hier, den krieg ich auch noch weg. Und ich finde, dass das nicht nur für Arbeitstätige gilt. Ich brauche auch eine Pause von der Haus- oder der Gartenarbeit, vom Fensterputzen, vom Bügeln, vom Holz machen oder von ehrenamtlichen Tätigkeiten.

Man muss vielleicht nicht gleich „Feierabend“ durchs Büro oder durchs Haus brüllen, wenn´s reicht. Aber ich glaube es ist schon wichtig, den Wunsch nach genügend Freizeit klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen, egal in welcher Position ich bin. Notburga war ja auch „nur“ eine Magd.  

Vielleicht ist für solche Fälle die Sichel der Notburga ein gutes Zeichen. Die bleibt in der Legende ja in der Luft schweben wie ein Standbild. Mit einem sauberen Schnitt die Arbeit beenden und am nächsten Arbeitstag das Standbild wieder weiter bewegen. Vielleicht denken Sie ja dran, wenn heute Abend das Wochenende lockt: An die Heilige Notburga, Schutzpatronin des pünktlichen Feierabends.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28839
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