SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Eine Begegnung letzten Monat bekomme ich einfach nicht aus dem Kopf. Die Begegnung mit einer Frau aus meiner Kirchengemeinde. Ich kenne sie schon länger – eine junge Mutter, tough und schlagfertig; aber auch eine treue Seele und tief verbunden mit der Kirche. Diese Frau hat sich sonntags während den Gottesdiensten vor die Kirche gestellt. Ganz allein stand sie da, mit einem Plakat in der Hand, auf dem sie fordert, dass auch Frauen Priesterinnen werden dürfen. Genau das haben an dem Sonntag tausende Frauen und Männer auch vor anderen katholischen Kirchen Deutschlands getan: Demonstriert. Maria 2.0 nennt sich diese Aktion, zu der Ehrenamtliche aufgerufen haben, weil sie sich eine Erneuerung der Kirche wünschen; und nicht mehr akzeptieren wollen, dass Frauen nicht dieselben Chancen wie Männer haben in unserer Kirche. Doch diese eine Frau aus meiner Gemeinde, sie steht ganz allein vor unserer Kirche.

Als ich sie sehe, bastel ich mir kurzerhand auch ein Plakat und stelle mich zu ihr, genauso wie noch eine andere Frau und ein Mann. Nach dem Gottesdienst sprechen uns viele Menschen an, einige klopfen der Frau anerkennend auf die Schulter, andere diskutieren, wieder andere verdrehen nur die Augen oder gucken uns missbilligend an. Bei all den unterschiedlichen Reaktionen bleibt mir aber eins besonders in Erinnerung: Diese eine Frau. Eine einzige Frau, die nicht nur so mutig ist, sondern auch so tief verbunden mit unserer Kirche, dass sie sich morgens dazu entschließt, sich ganz alleine vor die Kirche zu stellen und ein Zeichen für uns Frauen und für diese Kirche zu setzen. Diese eine Frau hat bei mir dadurch ganz viel Hoffnung bewirkt.

Denn wenn ich ehrlich bin, fällt es mir nicht leicht, meinen Ort als Frau in dieser Kirche zu finden. Ich liebe meinen Beruf als Pastoralreferentin. Ich habe jeden Tag mit spannenden Menschen zu tun und kann mir momentan keine sinnvollere Aufgabe vorstellen. Trotzdem: Ich bin eine Frau und werde meinen Töchtern irgendwann die Frage beantworten müssen, wie ich es aushalte, in einer Kirche zu arbeiten, die Frauen nicht die gleichen Chancen zugesteht wie Männern. Auf diese Frage habe ich keine sinnvolle Antwort. Aber seit ich diese Frau erlebt habe, habe ich Hoffnung. Diese Frau steht für die vielen Menschen, die zeigen, dass sie ihre Kirche lieben und genau deshalb so viel Leidenschaft und Mut aufbringen, um sie zu verändern. Euch allen sage ich Danke, dass ihr nicht aufgebt und mir Hoffnung schenkt!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28832
weiterlesen...