SWR1 Begegnungen

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16JUN2019
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Und mit Carl-Heinz Jung aus Koblenz-Lay, 66 Jahre alt, Ruheständler, aber ein sehr aktiver Ruheständler. Der gelernte Bankkaufmann steht für eine vielleicht einmalige, in jedem Fall aber sehr ungewöhnliche Verbindung. Er ist nicht nur regelmäßiger Jakobspilger, durch ihn fungieren von hier bis Spanien mittlerweile rund 60 000 selbstgebaute Nistkästen für Vögel, Fledermäuse und Wildbienen als Wegmarkierungen auf dem Jakobsweg.   Carl-Heinz Jung

Mit dem Pilgervirus wurde er schon als kleiner Junge infiziert. Jung erinnert sich noch gut daran, wie er an kalten Winterabenden an der wärmenden Herdplatte des Großvaters saß. 

Und über der Herdplatte war die Pilgerurkunde vom Opa von 1898 und dann hat er erzählt, wie toll das war, als er über die Alpen nach Rom gepilgert ist, er hat´s mit Kolping gemacht damals. 

Seitdem war er vom Wunsch beseelt, es dem Großvater nachzutun und sich auf den Weg zu machen. Doch es sollte dauern. Die berufliche Karriere führte ihn erst einmal zu verschiedenen Großbanken der Republik. Doch 2008 war es dann endlich soweit. Er hatte Kontakte nach Spanien, und er machte sich auf den Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Seitdem ist er jedes Jahr mindestens einmal unterwegs auf dem Jakobsweg, und er kann es nur jedem empfehlen, es auch zu tun: 

Es hilft Ihnen zu sich selbst zu finden, denn wir sind ja heute in einer Welt die halt nur noch an Geld, an Wissenschaft, und was so alles nicht glaubt, wir sind nicht mehr das, was wir eigentlich von Geburt aus sind, wir sind nicht mehr geerdet. Und deswegen, laufen Sie, gehen Sie wenn Sie irgendwie können, auf den Jakobsweg, das hilft Ihnen.   

Pilgern ist für Carl Heinz Jung Beten mit den Füßen und ein Weg zur direkten Gottesbegegnung. Seine Erfahrung: 

Du musst mit deinem Herrgott auf Augenhöhe reden, sprich mit ihm, und er wird dich auch erhören, und das sind die Dinge, die wir brauchen, wir haben keinen strafenden Herrgott, wir haben einen liebenden Gott, und da sollten wir viel, viel mehr Augenmerk darauf richten. Ich bin fest davon überzeugt dass unser Herrgott gütig ist, der jetzige Papst hat ja gesagt gehabt, der Herrgott ist halt ganz einfach barmherzig. 

Und noch eine Erfahrung, die er gemacht hat und die ihm wichtig ist: Beim Pilgern merkt man, was man wirklich braucht für ein gelingendes Leben, und das ist viel weniger als man denkt. 

Ich selbst bin jetzt bereits 13 Mal in Santiago gewesen, zweimal in Rom, und mit sechseinhalb Kilo kommen Sie wunderbar aus, und wir brauchen wirklich nicht mehr, und Sie begegnen, wenn sie es wollen, unterwegs Ihrem Schöpfer. Und Sie begegnen ihm dann, wenn Sie es nicht glauben, dass er kommt. 

Und wann kommen jetzt die Bienenhotels und Vogelnistkästen ins Spiel, werden Sie fragen. Dazu dann gleich nach dem nächsten Titel.

Teil 2 

Carl Heinz Jung ist Jakobspilger. Und Naturschutzaktivist. Er ist für über 60 000 Nistkästen verantwortlich, die in den letzten gut zehn Jahren als Wegmarkierungen entlang der Jakobspilgerwege von Deutschland bis Santiago de Compostela in Spanien aufgehängt worden sind - gut erkennbar am Symbol der Pilgermuschel. Den Grund für sein Engagement fasst er ebenso kompakt wie einleuchtend in einem Satz zusammen: 

Wir haben jetzt in den letzten 30 Jahren 321 Millionen weniger Vögel in Europa und fast 80 Prozent weniger Insekten, schauen Sie mal auf Ihre Windschutzscheibe. 

Seit seinem ersten Jakobsweg 2008 baut und hängt er Nistkästen auf, mittlerweile hat der engagierte Netzwerker rund 100 Mitstreiter von hier bis Spanien. Unterstützung erhält er auch vom Naturschutzbund Nabu. Glaube und Artenschutz, der Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung sind für ihn untrennbar miteinander verbunden. 

Ich bin fest davon überzeugt, das alles eine Ordnung hat, alles ist miteinander verbunden und somit können wir im Kleinen wieder das der Erde zurückgeben und den Menschen, was ja eigentlich schon immer da gewesen ist.  

Fast schon überflüssig zu sagen, dass der Bankkaufmann im Ruhestand die Umweltenzyklika Laudato si von Papst Franziskus toll findet, ebenso wenig überraschend ist, dass er von der etablierten Politik enttäuscht ist, wenn es um die den Umweltschutz in Zeiten des Klimawandels geht und dass er die Fridays for Future Bewegung der Schüler für wichtig hält:

Die Politik verspricht viel, hält und tut aber wenig, lautet seine Kritik, und redet sich, engagiert wie er nun mal ist, bei dem Thema richtig in Rage. Und: jeder kann etwas tun, und Jung hat ganz konkrete Vorschläge: 

Da wird so viel Geld für Eckpunktepapiere ausgegeben, gehen wir doch lieber her und gehen in die Kindergärten und klären auf, zeigen, dass ne Wildbiene nicht sticht, zeigen, welche Vorteile wir haben können, wenn ich am Haus zwei Vogelkästen hab mit nem 26iger Loch für ne Kleinmeise, mit nem 28iger Loch für ne größere Meise, oder mindestens zwei Fledermauskästen mit unterschiedlich großen Einflügen, damit die Zwergfledermaus oder der große Abendsegler mit rein kann, also wir haben so viele Möglichkeiten, und fangen wir doch einfach an. Wir haben so viele Kindergären, die auch gerade kirchlich mehr oder weniger betreut werden und wenn die Politik zu dumm ist um es in den öffentlichen Kindergärten umzusetzen, würde ich mich freuen wenn die Kirche da mehr tun könnte. 

Und dass die Kirche in Sachen Umweltschutz in die Gänge kommt, ist für Jung aber auch unerlässlich, da sind wir uns wie so oft während unserer Begegnung einig. Auch das bringt der pilgernde Umweltaktivist am Ende kompakt auf den Punkt. 

Ein Christ, der kein Umweltschützer ist, ist für mich kein Christ.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28827
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