SWR3 Gedanken

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04JUN2019
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Eine Handvoll Menschen vor der Kirche. Offensichtlich ein Friedensgebet. „Guck mal, die Frommen“, sagt eine Frau zu ihrer Freundin. Und es klingt nicht besonders nett. Fromm sein ist irgendwie uncool.

Wer fromm ist, ist zumindest ein bisschen weltfremd. Unter Umständen engstirnig, vielleicht sogar intolerant. Fromme Menschen beten viel und verstehen keinen Spaß. Sie haben auch selbst keinen Spaß, sind ziemlich ernst und bieder. Eben uncool.

Und weil fromm sein so uncool ist, will es auch keiner sein. Selbst wenn ich an Gott glaube, geht mir das Wort „fromm“ nicht leicht von den Lippen. Obwohl ich eigentlich gerne ein frommer Mensch wäre. Im eigentlichen Sinne.

Im Mittelalter hatte dieses Wort nämlich zunächst einmal mit Glauben gar nicht viel zu tun. Da war fromm so etwas wie nützlich, tüchtig, rechtschaffen. Ein frommer Mensch war einer, mit dem man es gerne zu tun hatte. Weil er aufrichtig und zuverlässig war, eine echte Stütze der Gesellschaft.

Und auch die Bibel findet fromme Menschen gut. Weil sie ein Talent dafür haben, auf Gott zu vertrauen, und gerade deshalb richtig gut für die Welt und die Menschen sind. Offen und tolerant und innerlich frei. Und gerade deshalb voller Spaß und Freude am Leben.

In diesem Sinne wäre ich sehr gerne ein frommer Mensch. Eben nicht scheinheilig und lammfromm, frömmelnd und weltfremd. Sondern das exakte Gegenteil. Ein Mensch, mit dem man es gerne zu tun hat, weil er an etwas glaubt, eine aufrechte Haltung hat und die auch lebt. „Guck mal, die Frommen.“ Eigentlich ein Kompliment.  

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28760
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