SWR1 Begegnungen

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30MAI2019
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Thomas Knöller trifft Michael Friedmann Michael Friedmann

Es ist schön im Büro von Michael Friedmann: Bunte Bilder und Fotografien schmücken die Wände. Es ist hell und ruhig, ein frischer Kaffeeduft liegt in der Luft. Er hat es geschafft, dass man sich an einem Ort sofort wohl fühlt, an dem über den Tod gesprochen wird. Michael Friedmann ist Referent für Kinder- und Jugendtrauer bei der Ökumenischen Hospizinitiative im Landkreis Ludwigsburg. 

„Ursprünglich war ich ja Bankkaufmann und dann hab ich Zivildienst gemacht im Krankenhaus, dadurch gemerkt, ich brauch einen anderen Beruf und dann Gemeindereferent geworden. Und dann auch da wieder die Jugendarbeit, der Beerdigungsdienst nochmal für mich so eine Grundlage waren, auch nochmal hier dann anzufangen.“ 

Für Michael Friedmann ganz entscheidend war: 

„Der Zivildienst im Krankenhaus, weil ich immer einen Beruf haben wollte, wo ich nah am Menschen bin und das war für mich in der Bank erstmal so möglich. Und durch den Zivildienst im Krankenhaus hab ich dann aber gemerkt gehabt, dass es was ganz anderes ist, ob man in der Bank mit den Menschen zusammenarbeitet oder ob man quasi im Schlafzimmer der Menschen steht, wenn man im Krankenhaus arbeitet.“ 

Von nun an sind es die, wie er sagt, „Schlafzimmer der Menschen“, die besonderen Seelen-Orte, an denen Michael Friedmann weitergearbeitet und gelernt hat: Im Theologiestudium, im Hospizpraktikum oder bei den verschiedenen Beerdigungsdiensten in der Kirchengemeinde.

Und Michael Friedmann weiß, wie der Tod das eigene Leben verändern kann: 

„Für mich persönlich wars ein sehr einschneidendes Erlebnis, wo meine Oma damals gestorben ist und das für mich der erste ganz wichtige Mensch war, der gestorben ist und das für sich selber auch zu merken, was es bedeutet, um so einen Menschen zu trauern und da zu merken, wie gut es tut, wenn einfach Menschen für einen da sind, die einen verstehen und so sein lassen wie man ist.“ 

Noch wichtiger, als verstanden zu werden, ist es, dass man seine Trauer so ausdrücken kann, wie man es selbst für richtig hält. Für Michael Friedmann hieß das, vor dem Sarg seiner Oma ein letztes Mal zu tanzen: 

„Wir hatten eine Musik rausgesucht von Hoffmanns Erzählungen, die Barkarole, eine ganz schöne Melodie, die meiner Oma sehr gefallen hatte, und wo wir die vor der Beerdigung haben nochmal laufen lassen, um zu gucken, ob es von der Lautstärke her passt, hatten meine Schwester und ich mich angeschaut und wir haben das getan, was wir vor Jahren schonmal mit meiner Oma zusammen im Kurcafé von Freudenstadt gemacht haben, dass wir einfach getanzt hatten. Und das haben wir quasi nochmal vor dem offenen Sarg meiner Oma getan, wo ich froh war, dass niemand anderes drumherum war, außer unsere Familie, weil ich glaub, viele Andere hätte das vielleicht irritiert, aber uns hat das sehr entsprochen, weil wir gewusst haben, meine Oma würde jetzt auch schmunzeln und ihre Freude dran haben, dass wir ihr nochmal so einen letzten Tanz schenken.“ 

Vielleicht ist ja auch die Trauerarbeit mit Kindern und Jugendlichen so etwas wie ein Tanz. Und von dieser Art Tanz erzählt uns Michael Friedmann nach der Musik. 

Teil II:

Er ist Referent für Kinder- und Jugendtrauer in Ludwigsburg. Die wenigsten Menschen wissen überhaupt, dass es so etwas gibt. Umso wichtiger sind Kirchengemeinden, Notfallseelsorger, Ärzte und auch Mund-zu-Mund-Propaganda, damit betroffene Kinder und Familien den Weg zu ihm finden.

Wenn man sich dann gegenübersitzt und unmittelbar ein Sterbefall vorausgegangen ist: Wie findet man da überhaupt einen passenden Einstieg in das Gespräch mit einem Kind oder Jugendlichen? Michael Friedmann ist dabei wichtig, … 

„… dass ich, glaub ich, nicht sofort nach dem Verstorbenen frag, sondern mich erstmal für das Kind, für den Jugendlichen interessiere. ‚Was macht dich aus?‘, ‚Wie war dein Tag heute?‘, ‚Was hast du erlebt?‘ - und darüber in Kontakt zu kommen und zu merken: ‚Ok, der fällt nicht gleich mit der Tür ins Haus.‘“ 

Im Gespräch mit Michael Friedmann wird deutlich, dass man diese Art des sanften Einstiegs nicht mit Oberflächlichkeit verwechseln darf. Oft sind die Kinder und Jugendlichen einfach froh, dass nicht sofort das Schwere den ganzen Raum einnimmt. 

„Die Kinder, wie auch die Jugendlichen, auch in der Jugendtrauergruppe, sagen: ‚Weißt du, Michael, was wir nicht brauchen können ist Mitleid, weil das machts eigentlich nur schwer und macht so sprachlos; den Anderen und mich selber ja auch. Was soll ich damit anfangen, wenn jemand sagt: Du, es tut mir so leid? Was wir brauchen, ist eigentlich jemand, der uns zuhört, der sich für uns interessiert, dem ich auch noch Geschichten erzählen darf und der nicht nur einen Klos im Hals hat, sondern wirklich einfach sagt: Ja, erzähl mir von deinem Papa! Was verbindet dich mit ihm?‘ Und dann werden da lustige Geschichten erzählt. Und dann ist Trauerbegleitung eben gar nicht so schwer, sondern - find ich - Trauerbegleitung ist ganz viel Liebesgeschichten hören.“ 

Dennoch geht es bei den Fragen, die Kinder und Jugendliche im Lauf der Trauerbegleitung stellen, oft ans Eingemachte. 

„Es sind schon die Fragen: ‚Warum ist das passiert? Warum hat sich mein Papa das Leben genommen? Wo ist die Mama jetzt? Die Nachfrage: Warum gibt es nicht einmal im Jahr wenigstens einen Besuchstag? ich würde mir einen Besuchstag einmal im Jahr wünschen.‘, wo ich mir denke: Oh Gott, wie bescheiden seid ihr?‘ Und würde ihnen so sehr wünschen, dass es möglich wäre, dass sie diesen einen Tag bekommen würden im Jahr, wo sie nochmal ihre Schwester, ihre Mama/Papa nochmal sehen könnten.“ 

Und was antwortet man, wenn genau solche Fragen kommen? 

„Wir antworten weniger, wir fragen mehr nach: ‚Was denkst du?‘ Und so klein die sind - die haben eigentlich oft ihre eigenen Antworten in sich. Ich erinnere mich noch, als angehender Religionslehrer, dass ich auf so eine ganz tolle Frage der Kinder mal sehr ausführlich geantwortet hab und mein Mentor nachher sagte: ‚War nicht schlecht, was du gesagt hast, aber es wäre besser gewesen, du hättest rückgefragt, was eigentlich die Kinder denken, weil eigentlich die Kinder schon ganz oft eine Antwort in sich haben, die du eigentlich oft nur hervorholen muss und die große Theologie ist bei Kindern meistens nicht gefragt, ...“ 

Sondern gefragt ist vielmehr Mut. Mutiger werden und ein klein wenig mehr tanzen. Und dabei aushalten, dass sich hinter der Trauer die vielleicht schönsten Liebesgeschichten über das Leben verstecken.

 

Telefonnummer der Ökumenischen Hospizinitiative Ludwigsburg: 07141/99 24 34 44

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28756
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