SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Ich trage eine Halskette. Mit einem feinen, runden Edelstahl-Plättchen als Anhänger. In dieses Plättchen gefräst ist ein besonderes Kreuz. Neutral beschrieben gleicht es einem Strichmännchen ohne Füße, mit zwei nach oben gebogenen Armen. Sie durchbrechen den Rand des Plättchens. Der Designer des Anhängers bezeichnet es als „Segenskreuz“. Gekauft habe ich mir die Kette, weil sie so anders ist, kein klassisches Kreuz, aber einem Kreuz eben doch sehr ähnlich. Und weil sie so etwas Gutes und Freundliches in sich birgt, finde ich. Ich bin schon von etlichen Menschen auf diese Kette angesprochen worden.

„Soll das ein Torwart sein?“ Eine Jugendliche auf dem Fußballplatz hat mich das gefragt. Sie schaut immer wieder auf die Kette. Ich dachte erst, sie macht sich lustig über das Kreuz. Aber dem war nicht so. Als ich nachfrage sagt sie: „Na, die ausgebreiteten Arme, ist das eine Torwart-Kette?“ Ich musste ein bisschen schmunzeln und habe ihr dann geantwortet: „Ja, das könnte auch ein Torwart sein“. 

Ich weiß nicht, ob das Mädchen einen Bezug zum Glauben hat und ihr das Kreuz als Symbol vertraut ist. Aber sie hat mit ihrer Frage erreicht, dass sich ein Bild in meinem Kopf entwickelt hat: Das Bild von Jesus, dem Torwart. Dem Schlussmann. Der oft hinten alleine steht – und trotzdem versucht, alles im Blick zu behalten.  Dem eine entscheidende Rolle im Spiel zukommt. Der sich hineinwirft, der rettet. Auf den man sich verlassen kann – vorausgesetzt, er wird von der Mannschaft in den Spielablauf miteinbezogen und die Abwehr folgt seinen Anweisungen. Jesus, der Torwart - er kann nicht alle Gegentore verhindern. Aber er kann immer wieder neu den Spielaufbau einleiten.

Die Frage der jungen Fußballerin hat mir noch etwas gezeigt: Dieses Torwart-Kreuz in seiner offenen Form lässt Raum; für andere Sichtweisen und ungewöhnliche Blickwinkel. Plötzlich verbinden sich Gedanken und Assoziationen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben: so wie der Auferstandene und Torwarthandschuhe. Es entstehen Freiräume und die Möglichkeit, sie zu füllen. Dem, was andere wahrnehmen, sollten wir uns nie verschließen – es kann unerwartet bereichernd sein.

Mein Segenskreuz steht für mich für einen Glauben, über den es zu reden gilt. Das symbolisieren die Linien, die unterbrochen sind und über die Begrenzung des Anhängers hinausgehen. Glaube ist nicht starr, er ist nie endgültig. Aber immer hält er den Himmel offen – wie die Figur meiner Kette, mit nach oben gerichteten Armen - und wie der Torwart, der den Elfmeter pariert.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28730
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