SWR2 Wort zum Tag

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Ein gebürtiger Palästinenser, der schließlich in Rom Karriere macht – das wäre selbst heute noch   eine Geschichte. Erst recht vor bald 2000 Jahren, und was heißt schon Karriere. Justinus  - so heißt der Gelehrte, an  den die kirchliche Liturgie heute erinnert – wurde um 100 nach Christus im heutigen Nablus geboren, im besetzten Palästinenserland also. Er studierte Philosophie und war ein richtiger Intellektueller. Mi ca 65 Jahren wurde er hingerichtet – und das unter dem berühmten Kaiser Marc Aurel, dessen Selbstbetrachtungen heute noch ein spiritueller Bestseller sind. Der Grund für Justins tragisches Ende: Er hatte für sich Christus entdeckt und wurde praktisch der erste Denker des Christlichen nach Abschluss des Neuen Testamentes. Er hat sich mit den Gebildeten angelegt, die damals das Christentum verachteten. Seine drei Dialoge mit nichtchristlichen Denkern seiner Zeit sind auch heute noch eine spannende Lektüre. Messerscharf zeigt er auf, dass der christliche Glaube so dumm nicht sein kann, er ist im Gegenteil eine wahre Lebenskunst. Mit Justin beginnt die Reihe derer, die offensiv Rechenschaft ablegen für die Wahrheit des Evangeliums. Er war ein Zeuge, er hatte Überzeugung, er stand dafür ein – mit Argumenten und sogar mit dem Leben. „Wir sind überzeugt, dass da ein einziger Gott ist“, sagte er noch im letzten Gerichtsverhör. Deshalb könne man christlich niemanden sonst anbeten, auch den Kaiser nicht oder sonst eine Macht in der Welt.

Ist diese Haltung nicht so aktuell wie eh und je. Was und wen beten Menschen heute an?  Glaube und Vernunft nötigen zur Unterscheidung: Gott oder Götze. Spiritualität darf nie für Denkfaulheit stehen, und kritische Geister sind nicht automatisch gottlos und kirchenfern. Vor allem: wenn wir Christen gefragt werden über den Sinn des Glaubens und das Profil des Christlichen, dürfen wir nicht kneifen. Wir haben tragfähige Antworten zu geben, mit Wort und Tat. Da zählen nicht fromme Sprüche, sondern klare Informationen und gute Argumente. Also: Glaube braucht Bildung, Christsein ist nichts für Denkfaule, es bedeutet Unterscheidung und durchaus öffentliche Stellungnahme. Hut ab, nicht nur vor Justinus.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28709
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