Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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23MAI2019
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Heute ist der Tag des Grundgesetzes. Seit genau siebzig Jahren ist dieses Gesetz die Grundlage für Politik und Recht in der Bundesrepublik Deutschland. Neben den Grundrechten kennen die meisten Menschen in Deutschland vermutlich den Anfang von Artikel 1  des Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Dieser Satz geht leicht über die Lippen und hat es doch in sich: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das ist nicht selbstverständlich. Die Würde des Menschen ist nämlich keineswegs unantastbar. Im Gegenteil: Sie wird tagtäglich weltweit mit Füßen getreten. Die das Grundgesetz schrieben waren nicht so naiv, das zu übersehen. Sie hatten ja gerade den Nationalsozialismus erlebt, der die Menschenwürde grob missachtete. Sie meinten auch nicht, die Würde des Menschen sei aus sich unangreifbar. Die Würde des Menschen ist unantastbar, das heißt viel mehr: Bei uns soll sie unantastbar sein, wir wollen alles daran geben, dass der Staat die Menschenwürde aktiv schützt, achtet und fördert. So ein Gemeinwesen wollen wir sein, in dem die Menschenwürde das höchste Gut ist.

Die Würde des Menschen ist in Wirklichkeit hoch verletzlich. Und deshalb ist so wichtig, dass ihr Schutz die Grundlage allen staatlichen Handelns ist, noch vor den einzelnen Grundrechten und der Organisation des Staates.

Zugleich begründet das Grundgesetz diese allgemeine Menschenwürde nicht. Das überlässt es den Bürgerinnen und Bürgern. Und da sind unterschiedliche Begründungen denkbar.

Religiöse Menschen begründen die allgemeine Menschenwürde oft damit, dass jeder Mensch Geschöpf Gottes ist. Biblisch gesprochen hat jeder Mensch diese Würde, weil er als Ebenbild Gottes geschaffen wurde. Deshalb kann kein Mensch, keine menschliche Institution diese Würde wirklich aufheben oder zerstören. Mag sie mit Füßen getreten und missachtet werden – sie bleibt Gottes Gabe an jeden Menschen und unter allen Bedingungen. Vielleicht ist die Menschenwürde nicht unantastbar. Für mich als gläubigen Menschen ist sie jedenfalls unverlierbar und unzerstörbar.

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