SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

12MAI2019
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Heute ist Muttertag. Deshalb grüße ich alle Mütter besonders herzlich. Ich denke gern an meine Mutter. Vor 47 Jahren ist sie gestorben. Zwar habe ich als Jugendlicher öfter mit ihr gestritten. Aber mir ist heute bewusst, wie viel ich ihr verdanke. Da sind z.B. Worte, die mir im Gedächtnis sind. Wenn etwas Schwieriges auf mich zukommt, denke ich daran, wie sie manchmal gesagt hat: „Bua, woisch nia, wozu dehs guat isch“, also auf hochdeutsch: Junge, du weißt nie, wozu das gut ist.

Ich habe heute noch Respekt davor, dass sie ihre schwere  Krankheit und dann ihr Sterben tapfer durchgestanden hat. Was mir vor allem in der Erinnerung ist, sind nicht Worte, sondern ihr gelebtes Beispiel. Das möchte ich allen Müttern zum Trost sagen, wenn sie manchmal an ihrer Erziehungskunst zweifeln. Mehr als Worte, gute Ratschläge oder gar Ermahnungen ist mir das gelebte Beispiel meiner Mutter in Erinnerung. Konflikte sind uns nicht erspart geblieben. Manchmal sind sie ganz schön heftig gewesen. Aber ich denke, Auseinandersetzung muss sein, selbst wenn sie an die Nerven geht.

Kraft hat es meine Mutter gekostet mich loszulassen, damit ich meinen eigenen Weg finde. Heute verstehe ich, dass sie sich gesorgt hat, ob alles gut geht, und ich bin froh, dass sie mir vertraut hat.

Meine Mutter hat keinen Beruf außerhalb der Familie gehabt. Sie hat sich ganz der Begleitung von uns vier Kindern widmen können. Ich habe großen Respekt vor Alleinerziehenden, sind sie doch doppelt belastet durch Familie und Büro oder Geschäft. Da kann es leicht passieren, dass die Mutter sich überfordert. Dann überträgt sie ihr Angespanntsein auf die Kinder zuhause, reagiert ungut und macht sich dann Vorwürfe, wenn sie ein Kind angefaucht hat.

Meine Mutter hat ihren Beruf in der Familie gesehen. Aber sie hat auch gern in der Kirchengemeinde mitgearbeitet. Es hat ihr gut getan, wenn sie nicht nur zuhause war. Bei Gemeindefesten hat sie an der Theke mitgeholfen. Ihr ist auch wichtig gewesen, ältere Menschen zu besuchen.  Ich gebe zu: Als Kind hat es mir nicht immer gefallen, wenn ich heimgekommen bin und sie dann nicht zuhause gewesen ist. Aber ihr hat es gut getan, und sie hat manches Lob geerntet, das sie zuhause nicht bekommen hat.

Was mich heute noch manchmal schmerzt: dass ich vieles für selbstverständlich genommen habe, was meine Mutter getan hat, und halt schwäbisch sparsam war mit Lob oder Dank!

Was ich an meiner Mutter erst spät wahrgenommen habe: Sie hat zeitlebens darunter gelitten, dass sie nicht Lehrerin werden konnte, obwohl sie lauter Einser im Abschlusszeugnis hatte - im Gegensatz zu mir! Aber die finanzielle Situation ihrer Familie, in der sie aufgewachsen ist, hat es nicht zugelassen. Darum hat sie gleich nach dem Schulabschluss als Haushaltshilfe arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Umso mehr danke ich ihr, dass sie meinem älteren Bruder und mir Gymnasium und Studium finanziert hat. Dazu hat sie den bescheidenen Lohn unseres Vaters entsprechend einteilen müssen. Dass ihr dies gelungen ist, bewundere ich noch heute. Vor allem aber: dass sie es durch eisernes Sparen fertig gebracht hat, mir einen Steinway-Flügel zu kaufen. Gern habe ich ihr dann Schuberts As-Dur-Impromptus vorgespielt, ihre Lieblingsmusik!

Auch religiös hat mich meine Mutter geprägt. Ich verstehe darum Frauen, die statt „Vater unser“ lieber „Mutter unser“ beten. Papst Johannes Paul I., der nur 33 Tage Papst gewesen ist, hat einmal gesagt: „Vielleicht ist Gott eher Mutter als Vater.“ Ja, ohne die Bedeutung meines Vaters zu schmälern: Geprägt hat mich meine Mutter, auch wenn ich als Student in den Semesterferien ihr manche Sorge bereitet habe. Ich bin aus Tübingen heimgekommen mit den neuesten Erkenntnissen von Hans Küng und anderen und habe den Glauben meiner Mutter als altmodisch und überholt angesehen. Heute weiß ich, wie lieblos und überheblich ich da manchmal gewesen bin.

Dass sie nicht nur sonntags, sondern auch manchmal werktags in den Gottesdienst gegangen ist, das hat auch mich geprägt. So habe ich nie den Eindruck gehabt, sie geht in die Kirche, weil man angeblich muss. Nein, sie hat sich dort Kraft geholt und es hat ihr gut getan. Davon zehre ich noch heute im Alter.

Übrigens hat meine Mutter den Muttertag nicht geliebt. „Da macht man solch einen Zauber, und morgen ist wieder alles vorbei“, hat sie gesagt. Ich denke, es ist gut, der Mutter heute zu danken und sie zu feiern. Aber ihr auch sonst manchmal zu sagen: „Mama, es ist einfach schön, dass es dich gibt!“ und ein paar Blümle dazu – nicht bloß heute – das tut ihr gut.

Ein kluger Mensch hat gesagt: „Als Gott die Idee für die Mutter kam, muss er ganz zufrieden gelacht und sie sich schnell patentiert haben – so reich, tiefsinnig, göttlich, so voller Seele, Kraft und Schönheit war dieser Entwurf.“ Ich wünsche allen einen schönen Muttertag!

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