SWR2 Wort zum Tag

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Wenn der Evangelist Lukas nicht gewesen wäre, gäbe es kein Weihnachtsfest! Sie werden jetzt vielleicht denken: wieso? Nur im Evangelium des Lukas wird so ausführlichen von der Geburt Jesu erzählt: von seiner Mutter Maria, der Verlobten des Josef, von ihrer Begegnung mit dem Engel, von ihrem Treffen mit Elisabeth und schließlich dem Weg nach Betlehem, wo Jesus draußen auf den Feldern in einer Krippe geboren wurde. Das Evangelium des Markus beginnt mit der Taufe des erwachsenen Jesus im Jordan. Ohne die Erinnerung an ein Jesuskind, das in Windeln gewickelt ist. Das Kirchenjahr ohne das Weihnachtsfest – nicht auszudenken. Vielleicht war Lukas der große Psychologe unter den vier Evangelisten. Er hat für Menschen geschrieben, die Heiden also Nicht- Judenwaren, und denen die ganze jüdische Tradition nicht von klein auf vertraut war. Er hatte ein großes Gespür für das Menschliche. Für die Bilder, die tief in unserer Seele liegen.
Gott ist Mensch geworden in Jesus Christus. So sagt es die Sprache der Dogmatik. Eine Sprache, die viele heute nicht mehr verstehen. Aber das Bild vom Kind, das in der Krippe liegt, kann jeden anrühren. Jeder ist als Kind auf die Welt gekommen, klein und hilflos. Und wer umgekehrt ein kleines Kind in den Armen hält, spürt, dass es angenommen werden will und jemanden braucht, der für es sorgt und da ist. Beide Erfahrungen gehören zu unserem Menschsein: auf andere angewiesen sein und andere annehmen können. Diese beiden Erfahrungen prägen auch den Glauben. Das Kind in der Krippe spricht die Sehnsucht an, dass das Kind in uns – also alles Verletzliche, Zarte und Schwache – geliebt und umsorgt wird. Und als Christin hoffe ich, dass ich Kind Gottes sein darf, weil Gott mich wie ein Vater annimmt. Aber Glauben heißt nicht nur, dem Kind in uns Raum zu geben. Gott begibt sich in unsere Hände. Das Ja Mariens, die Mutter von Jesus zu werden, steht exemplarisch für das Ja, das jeder im Leben sprechen kann. Gott will in uns und durch uns in die Welt kommen. So wie Eltern ihr Kind annehmen will Gott von uns angenommen werden. Die Kindheitsgeschichte des Evangelisten Lukas ist für mich ein Weg, der Menschwerdung Gottes in meinem eigenen Leben nachzuspüren. https://www.kirche-im-swr.de/?m=286
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