SWR2 Wort zum Tag

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„Heimat“ ist ein derzeit heiß diskutiertes Thema. Der Begriff ist vielschichtig, aber auch umstritten – wohl nicht zuletzt deshalb, weil er emotional stark besetzt ist.

Für die einen klingt „Heimat“ konservativ, ja geradezu reaktionär – als sei „heimatverbunden“ das Gegenteil von „weltoffen“. Für andere ist Heimat der Inbegriff eines zufriedenen Lebens – harmoniegesättigt, eins mit sich und der Welt. Für wieder andere bleibt Heimat Utopie – unerreichtes und unerreichbares Ziel, Fluchtpunkt aller Hoffnungsperspektiven.

Die Bibel gebraucht den Begriff „Heimat“ zwar nicht, aber sie spricht viel von Heimat, zum Beispiel in der alttestamentlichen Erzählung der Israelitin Noomi und ihrer Schwiegertochter Rut.

Einst war Noomi wegen einer Hungersnot in ihrem Land ausgewandert in die Fremde, gemeinsam mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen. Im Nachbarland Moab haben sie sich eine neue Existenz aufgebaut. Die Söhne haben moabitische Frauen geheiratet. Doch dann waren die drei Männer nacheinander gestorben. „Was soll ich noch hier in der Fremde? Die Hungersnot zuhause ist vorbei. Ich werde zurückkehren,“ sagt Noomi. Eine ihrer Schwiegertöchter, Rut, geht mit ihr, die andere bleibt da.

Als Noomi in ihrer angestammten Heimat ankommt, muss sie feststellen, dass der Boden dort für sie keineswegs bereitet ist. Eine Erfahrung, wie sie Menschen, die nach 1945 aus dem Exil nach Deutschland zurückkehrten, ebenfalls gemacht haben.

„Nennt mich nicht mehr Noomi, sondern ‚Mara‘, die Bittere, denn mein Schicksal ist bitter“, sagt Noomi denen in ihrer Heimatstadt, die sich noch an sie erinnern. Die Zeit in der Fremde hat Noomi einsam gemacht: Einst war sie mit ihrem Mann und ihren Söhnen ausgezogen, nun kehrt sie ohne sie zurück. Die Zeit in der Fremde hat Noomi auch ihrer Heimat entfremdet, hat sie selbst und ihre Herkunft bitter gemacht.

Was ist Heimat für Noomi? Ihre Herkunft? Das fremde Land, das ihr zeitweilig ein Zuhause bot? Oder besteht Heimat aus menschlichen Beziehungen? So scheint es in dieser Erzählung, denn ausgerechnet die aus der Fremde mitgereiste Schwiegertochter Rut hilft Noomi am Ende, in ihrem Herkunftsort wieder „anzukommen“. Sie steht ihr treu zur Seite, und durch Rut findet Noomi schließlich auch den Weg hinein in ein neues vertrautes Netz sozialer Beziehungen.

 

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