SWR1 Begegnungen

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19APR2019
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Margot Käßmann ©Norbert Neetz…und mit Margot Käßmann, ehemalige Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Seit vergangenem Jahr ist die frühere Bischöfin im Ruhestand. Was nicht bedeutet, dass Margot Käßmann die Hände in den Schoß legt. Stattdessen greift sie weiterhin zur Feder: In zahlreichen Buchbestsellern und ganz aktuell auch mit einem monatlichen Magazin meldet sich die engagierte Theologin zu Wort. Der Karfreitag ist auch für ihren persönlichen Glauben ein ganz wichtiger Feiertag:

Leid, Schmerz, selbst Verrat hat selbst Jesus erfahren und auch den Tod und damit weiß ja auch Gott – das glauben wir – etwas von Leid, Schmerz und Tod und mir ist das wichtig, weil ich denke so kann ich ganz anders zu Gott beten.

Am Karfreitag steht das Kreuz im Mittelpunkt. Im römischen Reich ließ man vor allem Nichtrömer und Sklaven kreuzigen, um deren Leid besonders lange hinauszuzögern. Dass Jesus Christus, also der Sohn Gottes, so hingerichtet wurde, ist für die Theologin ein Zeichen dafür, dass sich Gott mit allen Menschen solidarisiert, die auch heute leiden müssen.

Für mich ist das Kreuz das Symbol dafür, dass Gott selbst leidet. Und dass es in dieser Welt Leid gibt. Ich hätte auch gern eine schmerzfreie, leidfreie Welt, aber die gibt es nicht - in dieser Zeit.

Das weiß die Frau, die viele Höhen und Tiefen erlebt hat, aus eigener Erfahrung. Aber in ihren persönlichen Karfreitagserlebnissen – etwa als sie an Brustkrebs erkrankte – hat sie gespürt, dass dieser Gott sie gerade dann nicht im Stich lässt, wenn sie durch dunkle Stunden gehen muss. Ich frage sie, wo Gott am Karfreitag 2019 ganz besonders ist:

Ich wünsche mir, dass Gott ganz nah bei den Menschen in Syrien ist, bei den Menschen im Jemen. Bei Menschen, die hungern. Aber natürlich auch an den Sterbebetten in Deutschland oder da wo Menschen verzagen, weil sie wissen sie werden nicht wieder gesund, oder weil die Mutter nicht wieder gesund wird […] , ich denk auch an Eltern, die ihre Kinder verloren haben […] dass Gott diesen Menschen die Kraft gibt mit dem Schmerz und mit dem Leid zu leben.

Margot Käßmann findet, dass der Tod in unserer Gesellschaft oft ein Tabu ist. Der Karfreitag ist für sie deshalb ein guter Tag, sich auch mit der eigenen Sterblichkeit auseinanderzusetzen:

Wir alle werden sterben und da ist es mir auch noch mal wichtig, dass Menschen sich mit dem Sterben eben auch befassen. Also es gibt tausende von Geburtsvorbereitungskursen, aber keinen Sterbevorbereitungskurs […] Möchte ich in ein Hospiz? Möchte ich zu Hause loslassen? Wie soll die Trauerfeier sein? Finde ich auch ganz wichtig, das habe ich mit meinen Töchtern auch besprochen.

Der Glaube an die Auferstehung schenkt Margot Käßmann die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Er gibt ihr Kraft und Zuversicht:

Der Tod hat nicht das letzte Wort in dieser Geschichte von Jesus von Nazareth. Der Karfreitag ist eben nicht das Ende, sondern es kommt der Ostermorgen, aber man muss den Karfreitag auch aushalten.

Wie sich Margot Käßmann das Leben nach dem Tod vorstellt und warum der Glaube sie motiviert, sich schon im Diesseits für ein Ende von Leid und Gewalt einzusetzen, hören Sie nach dem nächsten Titel.

 

Teil II

Ich treffe Margot Käßmann, die wohl prominenteste deutsche Theologin der Gegenwart. Sie glaubt daran, dass das Leben nach dem Tod weitergeht. Wie das genau sein wird – da hält sich die ehemalige Reformationsbotschafterin zurück. Aber sie orientiert sich an den Hinweisen, die im Neuen Testament im letzten Buch, der Offenbarung des Johannes, geschrieben stehen:

Gott wird unter euch wohnen. Und das finde ich einen interessanten Gedanken. Ich würde dann gerne bei Gott nämlich in der Nachbarschaft mal vorbeigehen und fragen: All die Fragen, die ich habe.

Religion als Vertröstung auf ein besseres Jenseits – das passt so gar nicht zu Margot Käßmann, wie ich sie im Gespräch erlebe. Eine Frau, die fromm und politisch immer zusammendenkt:

Ich möchte noch mal sagen, dass Religion eben nicht Opium des Volkes ist, wie Karl Marx das gesagt hat, mit dem Menschen sich betäuben, weil sie mit dem Unrecht der Welt nicht klarkommen, oder mit dem Tod, mit dem Sterben nicht klarkommen. Das hieße ja es ist ein Wegsehen von der Welt. Mich ermutigt der christliche Glaube, das Kreuz, die Kreuzeserfahrung gerade zum Hinsehen: dass ich das Leid ansehen kann, und trotzdem an Gott glaube.

Dieses Hinsehen ist für Margot Käßmann immer konkret. Was treibt sie mit Blick in die Nachrichten aktuell um?

Die eine große Frage bleibt für mich die Friedensfrage […] Ich denke, dass im Moment die Rüstungsausgaben weltweit wieder derart steigen: […] Die Kirchen müssen zum Frieden rufen […] und ich finde dass die Kirchen auch gerade gegen die Rüstungsexporte aus der Bundesrepublik Deutschland antreten sollten […] Das andere ist natürlich die Frage, wie gehen wir mit Menschen um, die zuwandern. Mich bedrückt dieser Hass, der sich da auf einmal ausdrückt – gegen andere. Wer sind denn die anderen? Wer will definieren wer wir sind? […] Ich denke da haben die Kirchen auch viel beizutragen, indem sie Menschen ins Gespräch bringen.

Als Christin positioniert sie sich deshalb auch ganz klar gegen Rechtspopulismus und die Sichtweise jener Menschen, die das christliche Abendland durch Abschottung zu retten glauben:

Ich bin auch ganz klar dagegen, dass diese Menschen sich zuschreiben das christliche Abendland zu verteidigen. Das christliche Abendland steht für Barmherzigkeit, das steht für Miteinander, für Schutz der Schwachen und Schutz auch der Fremden.

Ich erlebe eine Margot Käßmann, die keine Angst vor Autoritäten hat. Und ich frage sie, wo das herkommt:

Ich denke manchmal dass unsere Mutter uns Kindern das mitgegeben hat, keine Angst zu haben. Meine Mutter war Krankenschwester und wenn wir vor irgendetwas oder jemandem Angst hatten, dann sagte sie immer: „Das weiß ich genau, in der Unterhose sehen sie alle gleich aus.“

Das ist er wieder – der Humor dieser prominenten Protestantin, die bei unserer Begegnung viel und gerne herzlich lacht, ohne kritische und ernste Themen auszusparen. Vielleicht gelingt ihr das, weil sie als Christin eine Hoffnung hat. Über den Tod hinaus.  Und wer hofft, der muss mit Humor nicht sparen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28493
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