SWR2 Wort zum Tag

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„Licht – Luft – Öffnung“ – das ist auf drei Begriffe reduziert das Programm einer Erneuerungsbewegung. „Einfach, schön und erschwinglich“ sollte sein, was Kunst und Handwerk für möglichst viele hervorbringen. Es geht um das Bauhaus, das heute auf den Tag vor 100 Jahren von Walter Gropius in Weimar gegründet worden ist. Die Auswirkungen dieser Reformbewegung auf viele Bereiche unseres Lebens sind bis heute unübersehbar. Bei Alltagsartikeln wie Möbeln oder Lampen, Geschirr oder Textilien, vor allem aber auch in seiner prägnanten Architektur.

Für mich gibt es im Blick auf die gewaltigen Veränderungen durchaus Gemeinsamkeiten zwischen Bauhaus und Reformation. Könnte man im Blick auf das Bauhaus sogar von einer Art allgemeinem Priestertum in der Kunst sprechen? Eher nicht. Ein Blick in die Bibel erweist sich hier als klärend. „Ihr sei das Volk Gottes!“, heißt es da. „Ein königliches Priestertum, das Gottes Wohltaten unter den Menschen bekannt machen soll.“ (1. Petrus 2,9) Diese Würdigung erweist sich als einer der Hauptgedanken für die Veränderungen der Reformation. Die Reformation hat gewissermaßen die Zahl derjenigen entgrenzt, die in der Kirche Verantwortung tragen. Das sind nicht länger nur Priesterinnen und Priester. Geistbegabt sind im Grunde alle.

Auch das Bauhaus setzt auf eine Entgrenzung. Aber nur im Blick auf die Nutznießer der in seinem Geist produzierten Güter. Wohnungen, Möbel, Gegenstände des täglichen Lebens - sie werden für viel mehr Menschen erschwinglich. Aber der Kreis der „Priesterinnen und Priester“ bleibt ein beschränkter Zirkel. Aus dem Blickwinkel eines Vergleichs mit dem allgemeinen Priestertum bleibt das Bauhaus auf halbem Weg stecken. Der Gedanke der Teilhabe, die Begabung aller Menschen, ihren Lebensraum mitzugestalten, ist bei ihm - noch - kein Thema.

Trotzdem: Von der Wirkungsgeschichte von einhundert Jahren Bauhaus haben unzählige Menschen profitiert. Inzwischen längst auch in Formen einer stärkeren Einbeziehung der Menschen, denen seine Ideen zugutekommen. Die vollständige Umsetzung des allgemeinen Priestertums aller Glaubenden ist auch nach 500 Jahren noch nicht gänzlich umgesetzt. Da müsste ich mit dem Bauhaus nach einhundert Jahren doch auch Geduld haben. „Licht, Luft und Öffnung“ sind nach wie vor ein gutes Programm – für das Bauhaus und für die Kirche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28461
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