SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Gibt es ein Pendant zum Morgenmuffel? Das habe ich mich neulich gefragt. Ein Morgenmuffel ist klar definiert. Das ist ein Mensch, der morgens schlechte Laune hat, mürrisch und wortkarg ist. Aber ein Abendmuffel?

Ich gebe zu, ich bin manchmal ein Abendmuffel. Stolz bin ich nicht darauf. Aber ich bin an manchen Abenden mürrisch und schlecht gelaunt. Das hat meistens seine Ursache in dem, was ich tagsüber erlebt und gearbeitet habe. Also eher in dem, was ich nicht geschafft habe. Das liegt mir dann im Magen und verdirbt mir die Laune.

Meistens habe ich mir zu viel vorgenommen und nicht alles hat geklappt und ist erledigt. Dann sitze ich da und ärgere mich über das Nichtgelungene. Bei all dem Ärger sehe ich nicht, was ich alles geschafft habe und wo ich schöne Momente hatte.

Das schöne Gespräch am Morgen mit einer Frau aus dem Dorf zum Beispiel, das Spielen im Garten mit meinen Kindern am Nachmittag, die Sitzung, die einen guten Ausblick auf die nächsten Tage gegeben hat. All das sehe ich nicht mehr. Weil ich muffelig bin und nicht mehr alles im Blick habe.

Für mich ist deshalb ein Abendmuffel ein Mensch, der mit zu kritischem Blick auf den Tag zurückblickt. So kann er das Schöne und Gelungene, die wunderbaren Kleinigkeiten nicht mehr sehen. Das äußert sich bei mir wie beim Morgenmuffel: Ich habe schlechte Laune, bin mürrisch und wortkarg. Und während bei dem einen der Tag nicht gut beginnt, endet er bei mir nicht gut.

„Abend und Morgen sind seine Sorgen; segnen und mehren, Unglück verwehren sind seine Werke und Taten allein. Wenn wir uns legen, so ist er zugegen; wenn wir aufstehen, so lässt er aufgehen über uns seiner Barmherzigkeit Schein.“So heißt es in einem alten Kirchenlied von Gott.

Vielleicht sollte ich das ab und mal beherzigen. Meine Sorgen Gott anvertrauen. Nicht erwarten, dass er sie für mich löst, aber einfach nicht alles immer selbst und sofort machen wollen. Sondern auch einfach mal loslassen. Abends das Unerledigte unerledigt sein lassen. Es aber auch nicht mit ins Bett nehmen, sondern bis zum nächsten Morgen in Gottes Hände legen. Und morgens, wenn ich nicht muffelig bin, mit frischem Blick darauf schauen. Dann ergibt sich oft auch für Abendmuffel eine neue Perspektive.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28445
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