SWR2 Wort zum Tag

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Wenn man älter wird, kann einen das Gefühl beschleichen: ‚Es geht nur noch bergab.‘ Schön wenn das Leben einem dann ganz starke Gegenargumente in die Arme legt: In Gestalt eines Enkels zB. Da spürt man, es geht weiter. Das Leben fängt immer wieder an, frischt sich auf. Und mich auch. Ein Enkel belebt einem vielleicht nicht die Knochen, aber allemal den Geist und das Gemüt.

Es gibt Philosophen, die haben aus dem „Es geht nur noch bergab“ ein allgemeines Lebensgesetz geprägt: ‚Das Leben sei eine Krankheit zum Tode.‘ Aber auch da glaube ich, dass das Leben starke Argumente dagegensetzen kann. Die Philosophin Hannah Arendt hat welche formuliert.

Für sie ist jede Geburt eine Erneuerung der Welt. Eine -wie sie sagt: „innerweltliche Imitation der göttlichen Welterschaffung.“ Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass die „Krankheit zum Tode“ von Philosophenmännern formuliert worden ist.

Die Philosophin Hannah Arendt sieht das anders. Für sie geht es immer um den Anfang, nicht um das Ende. Für sie ist nicht der Tod die prägende Kraft, sondern die Kreativität – das Schöpferische. Eine Kraft die immer neu schafft und erneuert. Das Wesen des Menschen ist nicht mortal, sondern natal. Dass wir geboren werden, ist für Hannah Arendt fundamentaler als unsere Sterblichkeit.

„Der Mensch wurde geschaffen, damit ein Anfang sei.“ schreibt sie. „Dieser Anfang ist immer und überall da. Er ist garantiert durch die Geburt eines jedes Menschen. … Dass man in der Welt Vertrauen haben und dass man für die Welt hoffen darf, ist vielleicht nirgends knapper und schöner ausgedrückt als in den Worten: Uns ist ein Kind geboren.“

Was sie hier grundsätzlich beschreibt, kann ich auch erfahren. Finde ich. Auch beim älter werden bleibt etwas von diesem Anfang in uns. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass es mich so berührt und belebt, wenn ich ein Neugeborenes oder kleine Kinder sehe. Mich lässt es jedenfalls nicht kalt. Im Gegenteil. Es zeigt mir, es geht weiter. Auch wenn ich selbst älter werde. Und ich finde das tröstlich.

Der christliche Glaube hat diesen Gedanken: das Leben ist keine Krankheit zum Tod sogar noch weiter getrieben. Nicht in dem Sinn, dass wir unsterblich wären. Klar bin ich sterblich. Und auch der Gedanke an eine Wiedergeburt ist dem christlichen Glauben fremd. Aber, dass Kreativität eine der Kräfte des Lebens ist - und Gottes - daran glaube ich als Christ. Und ich glaube sogar an die Möglichkeit, dass Gott kreativ, schöpferisch an uns wirken kann im Tod. Dass wir auferstehen zu etwas Neuem. Der Tod ist auch ein neuer Anfang.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28441
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