SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Ich unterrichte eine fünfte Klasse in Religion. Zuletzt haben wir uns mit Abraham beschäftigt. Abraham ist gemeinsam mit seiner Sippe unterwegs in der Wüste. Er ist auf der Suche nach einem geeigneten Ort, an dem sie leben können. Die ganze Wandertruppe ist müde, hungrig, durstig und durchgeschwitzt – und trotzdem wandern alle weiter. Denn im Gepäck hat Abraham das Vertrauen, dass Gott sie an den richtigen Ort führen wird.

Ich frage die Schülerinnen meiner fünfte Klasse, ob sie in ihrem Leben auch mal eine anstrengende Zeit erlebt haben, in der sie aber trotz aller Anstrengung darauf vertraut haben, dass Gott immer für sie da ist. Die Mädchen und Jungs antworten sehr unterschiedlich, aber vor allem sehr konkret. Ein Mädchen erzählt, dass sie länger krank war, aber selbst in den schlimmeren Zeiten im Krankenhaus ganz tief geglaubt hat, dass Gott da ist und ihr Kraft gibt. Oder ein Junge, der von einem Flug in den Urlaub berichtet, bei dem es starke Turbulenzen gab und er irgendwann mit seinem Vater ein Gebet gesprochen hat und ihm das Gebet sehr viel Ruhe gegeben hat und er darauf vertrauen konnte, dass alles gut wird.

Das sind nur zwei von vielen Geschichten, die mich noch immer sehr bewegen: Zum einen finde ich es ganz wunderbar, zu erfahren, dass Gott für so viele Schüler*innen da ist und wirklich vorkommt in deren Leben. Zum anderen, dass zehn- und elfjährige Mädchen und Jungs so selbstbewusst und offen zur Sprache bringen, wann Gott für sie wichtig und da ist. Und das wohlgemerkt vor der ganzen Klasse und in diesem Alter.

Ich glaube auch daran und vertraue darauf, dass Gott in meinem Leben da ist und sich immer wieder zeigt. Aber manchmal fällt es mir schwer, genau das zur Sprache zu bringen. Obwohl ich Theologin bin und als Pastoralreferentin arbeite. In meiner beruflichen Rolle fällt mir das leichter. Aber wenn ich als Privatperson und nicht im Rahmen der Kirche unterwegs bin, dann fällt es mir schon schwer. Wenn ich über meinen Glauben spreche, geht es ja nicht um Fakten oder Eindeutiges, sondern um das, an was ich glaube und was mir wichtig ist. Wenn ich über meinen Glauben spreche, zeige ich Menschen sehr viel von mir und mache mich damit auch verletzbar. Deshalb braucht es Mut, Selbstbewusstsein und auch ein bisschen Gelassenheit im Bezug darauf, was Andere dann von mir denken könnten. Meine fünfte Klasse hat mir gezeigt, dass sie selbstbewusst, mutig und gelassen ist, wenn es um ihren eigenen Glauben geht. Und dass es sich lohnt – denn sie haben mich damit bewegt, selbst auch wieder gelassener und mutiger zu werden. Und in meinem Alltag mehr davon zu erzählen, wie dankbar ich bin, dass Gott da ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28412
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