SWR4 Abendgedanken

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Seit einigen Wochen bin ich mit meinem neuen Lasten – Ebike unterwegs. Ein Fahrrad, das mit Strom unterstützt wird und genug Platz bietet, um meine Kinder mitzunehmen. Ich habe mir das neue Rad gekauft, weil ich die Umwelt schonen und meinen Alltag erleichternwollte. Doch seitdem ich damit in Stuttgart unterwegs bin, bin ich nicht nur schneller, sondern lerne auch meine Stadt ganz neu kennen. Ich entdecke andere Kaffees und mache liebend gerne einen großen Umweg, um zum neuen Lieblingsspielplatz meiner Tochter zu fahren. So ein Lasten-Ebike fällt auf. Ich werde häufig angesprochen und lerne so nette Leute aus meinem Viertel kennen. Ich habe das Gefühl, mein Viertel nach fünf Jahren nochmal ganz neu kennen und lieben zu lernen. Und ich merke: Es macht mir seither wieder viel mehr Spaß, dort zu leben, obwohl sich mein Viertel selbst gar nicht groß verändert hat.

Aber sowas funktioniert ja nicht nur bei meiner Stadt, sondern auch bei mir selbst. Eine kleine Veränderung bewirkt manchmal wahre Wunder. Ich fühle mich beispielsweise nach dem Frisör oft wie ein neuer Mensch – auch wenn ich eigentlich noch die Gleiche bin, sehe ich anders aus. Und darum schaue ich auch mit einem ganz anderen Blick in den Spiegel. Ich fühle mich plötzlich wieder wohler und mag mein Spiegelbild mehr. Das hört sich erst einmal oberflächlich an, aber es geht dabei viel mehr als nur um mein Aussehen. Diese kleine Veränderung, die neue Frisur, hilft mir, mich mit anderen Augen anzusehen. Das Schöne an mir genauer anzusehen und mich darüber zu freuen.

So wie meine Stadt es verdient, auch mal neu angesehen zu werden, so verdiene auch ich es. Kleine Veränderungen an mir oder meinem Alltag können mir dabei helfen, mich selbst neu kennen und auch lieben zu lernen. Es muss nicht unbedingt der Frisörterminsein. Es kann auch damit anfangen, dass ich mich selbst morgens im Spiegel anlächle, mir meine Lieblingsblumen kaufe, um mir selbst eine Freude zu machen oder mich wieder traue, eine neue Sprache zu lernen. Denn ich bin es wert, immer wieder von mir selbst neu entdeckt und geliebt zu werden. Egal ob ich 5, 15, 35 oder weit über 75 bin: In jedem Menschen  schlummern verborgene Talente und Seiten, die dringend entdeckt werden wollen. Man muss sich nur trauen, mal was Neues auszuprobieren, seinen Alltag zu durchbrechen, um dann wieder mehr Spaß mit sich selbst zu haben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28411
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