SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Stark, standhaft und da, egal, wie stürmisch es auch ist – das ist ein Fels in der Brandung. Vielleicht fällt ihnen ja bei diesem Stichwort sofort ein Mensch ein, der für sie ein fester Halt in unruhigen Zeiten war oder gerade ist. Ein Mensch, bei dem sie das Gefühl haben: Der ist immer da, egal wie wild es wird.

Bisher konnte ich mit diesem Bild nicht so viel anfangen. Klar kenne ich stürmische Zeiten auch aus meinem eigenen Leben, aber diesen Fels, diesen dicken Brocken Stein in menschlicher Form habe ich so noch nie erlebt. Bis vor zwei Wochen.

Ich war mit meinen Kindern bei Freunden zu Besuch. Die Kinder rennen wild durcheinander, die Stimmung ist super. Bis meine jüngste Tochter sich am Kopf verletzt. Verletzungen gibt es bei den Kindern immer wieder, aber diesmal scheint es ernster zu sein: nicht nur eine große Beule am Kopf, sondern dazu Schwindel, eine Schnittwunde an der Stirn und viel Blut. Wenige Minuten später sitze ich mit meiner Tochter im Krankenwagen. Ich versuche, ruhig zu bleiben, damit meine die Kleine sich geborgen und sicher fühlt. Innerlich bin ich aber alles andere als ruhig. Ich mache mir Sorgen, dass es was Ernstes ist, mache mir dazu auch noch Vorwürfe, nicht genug aufgepasst zu haben. Ich fühle mich für einen Moment so, als würde ich in den Sorgen und Vorwürfen untergehen, habe große Mühe, ruhig zu bleiben. Und in all der Aufregung entdecke ich ihn; den, den ich bisher für völlig überzogen und unwirklich gehalten hatte; den, den eine starke Frau wie ich eigentlich gar nicht braucht: den Fels in der Brandung, zum Greifen nah. Der Sanitäter von den Johannitern im Krankenwagen. Er ist ruhig und wirkt vertrauensvoll. Er weiß, was zu tun ist. Verarztet meine Tochter und ist dabei sehr liebevoll und zugewandt. An ihm kann ich mich festhalten. Und er scheint zu wissen, was ich und meine Tochter brauchen, obwohl er uns gar nicht kennt. Er bringt uns zum Lachen – bläst Hygienehandschuhe auf und zieht aus kleinen Schubladen spannende Gegenstände; und nimmt mir auch noch so ganz nebenbei die Sorge, nicht gut genug aufgepasst zu haben. Indem er mir eine Geschichte aus seinem Alltag als Vater erzählt.

Zwei Wochen später ist von der ganzen Aufregung bei meiner Tochter nur noch ein Pflaster auf der Stirn zu sehen. Und bei mir ist  - durch das, was ich da im Krankenwagen erlebt habe – etwas Neues entstanden: Ich glaube, dass Gott uns diese ganz besonderen Menschen schickt, die uns in bestimmten Lebenssituationen genau das geben, was wir brauchen: Halt und Hoffnung. Auch wenn wir sie nicht genau kennen und gar nicht wissen, woher sie kommen. Sie sind einfach da und überstehen mit uns eine stürmische Zeit. Wie ein Fels in der Brandung.

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