SWR4 Sonntagsgedanken

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Ein Mann hatte zwei Söhne …

Viele werden beim Hören dieser Worte denken: DieGeschichte kenn ich doch !

Das Gleichnis im Neuen Testament vom Vater und seinen zwei Söhnen ist ein Stück Weltliteratur.

Es ist eine Männergeschichte. Und eine Dreiecksgeschichte.

Heute wird sie in den katholischen Gottesdiensten vorgelesen.

Da ist zunächst dieser jüngere Sohn. Zuhause ist es ihm zu eng geworden. Er will nicht warten bis der Vater tot ist. Vermögen das ihm zusteht verlangt er schon jetzt und macht sich vom Acker.

Er verschleudert und vergeudet alles und kurze Zeit später geht es ihm so richtig dreckig. Zurück will er. Schäbig benommen hat er sich. Da geschieht das Unfassbare. Die Worte seines Vaters bei seiner Ankunft durchbrechen alle Konventionen und Erwartungen.Wir wollen feiern. Mein Kind war tot und ist lebendig geworden. Es war verloren und ist wieder gefunden. Keine Anklage. Kein Nachhaken.

Mehr als irritiert kommt der ältere Sohn von der Arbeit zurück. Nie gab es für ihn ein Fest. So treu und korrekt wie er doch immer war. Liebt der Vater den Bruder etwa mehr als ihn ?

Schnell ist erzählt in der Geschichte vom Vater und den beiden Söhnen, was Jesus so sehr am Herzen liegt.  Sein Glaube an Gott der nur lieben kann.

Selten spricht Jesus seine tiefste Überzeugung und sein Anliegen in einem Gleichnis so eindringlich aus.

Seine Situation ist ja auch kurz vor dem Karfreitag hochdramatisch. Was er lehrt und von Gott sagt wird den Pharisäern und Schriftgelehrten immer mehr ein Dorn im Auge und darf nicht unwidersprochen stehen bleiben. Sie wollen nicht länger mit anschauen, wie er das Volk von Galiläa bis Jerusalem mit seinem Wort von der Barmherzigkeit und Liebe Gottes durcheinanderbringt. Gotteslästerung lautet die Anklage.

Denn Gott so ihre Lehre verlangt Bedingungen für seine Liebe. Und die kennen sie bestens. All die Paragraphen des Gesetzes. Die Gebote und Vorschriften. Das alles muss gelten. Ein für alle mal. Wer sich nicht daran hält ist ausgeschlossen und gottlos.

Doch Jesus kennt auch die Anderen. Die nicht Korrekten. Die mit all den Paragraphen Überforderten. All die Entrechteten und Armen. Die Verzweifelten und Ausgeschlossenen. Die in den Augen der Frommen wertlos gewordenen. All die, die nur noch etwas von Gott erwarten. Die laufen ihm buchstäblich nach. Sie sitzen bei ihm am Tisch. Sind seine liebsten Gäste. Und zu ihnen fühlt er sich gesandt. Denn er ist nicht gekommen für die Gesunden, sondern für die Kranken. Bei ihm erhoffen sie sich das zurückzubekommen, was ihnen genommen wurde. Ihre Würde. Ihren Wert. Das Empfinden, dass auch sie von Gott geliebt und angenommen sind.

Sein Sprechen von Gott ist so ganz anders.  Von Gott, den er seinen Vater nennt. Von dem nur gütig, barmherzig und mit weitem Herzen gesprochen werden kann. Daran glaubt Jesus ganz fest. Davon erzählt seine Geschichte.

Teil 2:

Der Vater. Lässt er nicht aufscheinen wie Gott ist.

Mit offenen Armen empfängt er den Verlorenen. Barmherzig. Nicht berechnend. So wie er mit dem jüngeren Sohn umgeht. So kann nur Gott sein.

Und der Ältere ? Ist seine Wut nicht allzu menschlich. Immer zu kurz gekommen. Das Gefühl von Neid eben. Wieso bekommt der sein Fest und ich gehe wieder mal leer aus ?

Der brasilianische Bischof Dom Helder Camara schrieb einmal zu unserer Geschichte: Ich bete unaufhörlich für die Bekehrung des Bruders des verlorenen Sohnes. Immer klingt mir im Ohr die schreckliche Mahnung: der Erste ist aufgewacht aus seiner Sünde. Der Zweite – wann wird er aufwachen aus seiner Tugend !

Aufwachen aus der Tugend. Immer korrekt. Immer richtig. Immer fleißig. Nie es wagen ein Gebot zu übertreten.

Und dann miterleben wie da so ein Hergelaufener daherkommt und einfach nur sagt Hier bin ich ! und mir nichts dir nichts Sympathien auf sich zieht.

Da kommt Neid auf. Damals wie heute.

Da wird die teure Unterbringung von Strafgefangenen angeprangert. Da werden die Kosten für Resozialisierungsprogramme für verwahrloste Jugendliche aufgelistet. Alles steht auf den Prüfstand: Die Sozialhilfe für die, die doch arbeiten könnten. Die Kosten für die Unterbringung von Menschen, die bei uns Schutz suchen.

Wieso die und nicht ich. Ich bin immer benachteiligt. Unfair ist das.

Aufwachen aus der Tugend. Sich freimachen von der irrigen Meinung nur man selber habe Liebe und Zuneigung verdient. Die Anderen aber nicht. 

Am Karfreitag feiern wir die Konsequenz der Worte Jesu.

Wer so eine Geschichte erzählt muss beseitigt werden. Eine solch schrankenlose Liebe. Die darf nicht sein.

Wieviel Bosheit legt das Gleichnis frei im Herzen derer, die meinen mit Gott auf du und du zu stehen und nur den Herr – Gott kennen, aber den Gott Jesu nicht, das Gesetz auswendig wissen, Erbarmen aber nicht kennen.

Ein Vater hatte zwei Söhne. Auch wenn wir die Geschichte kennen. Ihre Konsequenz hat es in sich. Ein weites Herz und das Vertrauen in einen Gott, der nur lieben kann. Jeden. Bedingungslos.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28402
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