Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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05APR2019
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„In der Kirche reden sie immer vom `Lieben Gott´“, sagt ein Mann zu mir, „aber wenn Gott alles geschaffen hat, dann ist er doch auch für das Schlechte verant-wortlich. Und dann kann er nicht nur lieb sein.“

Ja, das stimmt: Gott ist nicht nur harmlos, lieb und nahbar. Davon erzählt auch die Bibel - und manche Geschichten dort lassen einen geradezu erschaudern.

Aber ich - und viele mit mir - machen es sich viel lieber mit der anderen Vorstellung von Gott gemütlich:

Mit dem Gott der Liebe, und der kleinen Leute - der gut ist und nicht auch böse, klein und nicht auch groß, nah und nicht auch fern...

Jedoch: ausgerechnet dieser harmlose, liebe Gott, bleibt den Gefühlen so seltsam fern.

Vielleicht, weil ich ihm nichts zumuten kann:

Denn wie soll man den lieben Gott anklagen, für das Grausame und Schlimme in der Welt? Und wie vom lieben Gott eine Antwort fordern, auf meinen Schmerz? Und wie dem lieben Gott die Zweifel und Verzweiflung entgegen-schleudern? - So schonungslos, wie einst die Beter in den Psalmen.

Wer Gott verharmlost, traut ihm auch im Guten nicht viel zu. 

Darum ist es so wichtig, auch die dunklen Erfahrungen mit Gott zu verbinden. Die Schattenseiten der Wirklichkeit: Viele Menschen leiden. Menschen tun einander Unvorstellbares an. Und wir plündern die Erde.

Klar: Was wir Menschen davon verschulden, das liegt in unserer Verantwor-tung. Aber wer hat denn die Menschen geschaffen, mit ihrem Zynismus, ihrer Brutalität, ihrer Gefühllosigkeit?

Wenn Gott tatsächlich alles in allem ist, dann hat er auch die Schattenseiten dieser Welt geschaffen. Dann tut Gott auch Dinge - oder lässt sie zu - die ich nicht verstehe; die ich nur schlimm, verrückt, ungerecht und grausam nennen kann. Dann ist Gott einer, der zuweilen Unzumutbares zumutet.

Und doch finde ich darin einen eigenartigen Trost:

Denn wenn ich Gott so denke, groß und mächtig - und nicht nur als den lieben Gott - dann ist Gott ein echtes Gegenüber.

Er ist zwar zum Fürchten - und ich werde ihn nie ganz verstehen; aber ich kann mich ihm auch zumuten, schonungslos, mit allem, was ich bin – auch mit meinen Schattenseiten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28385
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