Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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02APR2019
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Manchmal erweisen sich ausgerechnet diejenigen als besonders mitfühlend und menschlich, von denen man es am wenigsten erwartet hätte. Das ist eine uralte Erfahrung - die hat schon König Saul gemacht, der erste König über Israel.

Das ist, als er nicht mehr ein noch aus weiß. Denn da ist keiner mehr, dem er trauen kann. Und zu Gott hat er auch den Draht verloren. So erzählt es die Bibel.

In seiner Verzweiflung sucht er eine Totenbeschwörerin auf. Vielleicht, dass sie ihm helfen kann...?

Totenbeschwörung ist ein uralter, religiöser Brauch gewesen. Deshalb hatte König Saul sie ja auch strengstens verboten.

Aber jetzt ist dem König alles egal; er will nur noch eines:

Er will mit dem Mann sprechen, der zu Lebzeiten immer Rat wusste - mit Samuel, dem Propheten. - Ihn soll die Frau aus dem Totenreich holen.

Und tatsächlich: Sie ruft den Toten. Aber der Prophet hat für Saul nur ein ver-nichtendes Urteil. Dann ist er wieder verschwunden.

Da bricht Saul zusammen. Denn es ist aus.

Aber jetzt geschieht etwas Unerwartetes:

Ausgerechnet die Totenbeschwörerin hat Erbarmen mit dem König. Sie sieht seine Verzweiflung; und die grenzenlose Einsamkeit. Und sie redet Saul gut zu. Und gibt ihm ihr bestes Essen, damit er wieder zu Kräften kommt. - Ein Lehr-stück in Sachen Menschlichkeit.

Ich erinnere mich an eine Situation - da ging es zwar nicht um Leben und Tod – aber um Diebstahl. Meine Tochter, gerade 18, ist abends auf einer Feier gewesen. Und da hat ihr jemand die Handtasche gestohlen.

Alles war weg: das neue Handy, Geld, Ausweis, Führerschein. Unsere Tochter ist natürlich enorm unter Druck geraten: Der Verlust, der Ärger mit den Eltern - und alles was man in so einem Fall erledigen muss...

Aber dann, ein paar Tage später klingelt es an der Haustüre.

Da steht ein Obdachloser. Und er streckt er mir den Ausweis meiner Tochter entgegen. „Hab ich gefunden“, sagt er. Und schon macht er kehrt. Er lässt mir nicht einmal Zeit, mich ordentlich zu bedanken.

Ausgerechnet einer, von dem man es am wenigsten erwarten hätte, macht sich auf den Weg. Und fühlt mit, weil jemand was verloren hat.

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