SWR2 Wort zum Tag

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Man muss nicht immer einer Meinung sein und kann dennoch vertraut zusammenarbeiten. Das habe ich von Ede und Albert während meiner Studienzeit gelernt. In einem Sommer habe ich bei einer Malerfirma gejobbt. Da habe ich die beiden kennen gelernt. Ede war ein ständiger „Bruddler“ vor dem Herrn, der immer vor sich hin maulte, weil er an allem etwas auszusetzen hatte.

Während Ede manchen Auftrag in Frage gestellt hat, um ihn in Bezug auf das Ergebnis oder den Arbeitsablauf besser ausführen zu können, hat Albert still aber stetig, ohne viel zu fragen, in aller Seelenruhe vor sich hingearbeitet. Am Ende war es genau diese Einteilung, mit der die beiden zu einem guten Ergebnis ihrer Arbeit kamen. Und sie haben mir gezeigt: Auch Arbeit braucht Maß und Grenzen.

Einmal hatten wir den Auftrag, alle Fenster einer Schule während der Schulferien zu streichen. Mein Job war es, diese Fenster vorab zu schleifen, damit die beiden anderen sie dann überstreichen konnten. Sechs Wochen lang! Es war eine ungemein eintönige Arbeit. Mit dem Zieheisen die lose Farbe entfernen, ausbessern, anschleifen, abstauben. Fenster für Fenster. Ich hebe es gemerkt: Lehrjahre sind eben keine Herrenjahre. Dennoch legte ich munter drauflos.

Am nächsten Tag kam Ede zu mir, schaute sich meine Arbeit an und sagte: „Für einen Studenten kannst Du das ziemlich gut! Aber mach um Himmels willen langsamer, im Gegensatz zu Dir müssen war das noch viele Jahre machen. Und außerdem: eine so schöne Baustelle kriegen wir nie mehr wieder!“

Ede hatte recht. Ich war viel zu schnell und übereifrig. Das kann nicht lange gutgehen. Wer seinen Beruf ein ganzes Leben lang ausüben will, kann nicht immer mit Volldampf arbeiten, sondern muss sich die Arbeit einteilen. Da heißt es Maß nehmen und auch Maß halten, sonst kommt man unter die Räder. So zu arbeiten, mit Freude und Zufriedenheit, das hat mir Albert mit seinem großen Gemüt in dieser Zeit gezeigt.

Bei beiden habe ich gespürt, welchen Wert ihre Arbeit für sie hatte. Aber auch, wie wichtig für sie der Sonntag war. Am Samstag haben sie oft noch den einen oder anderen Nebenjob übernommen, um etwas dazu zu verdienen. Aber am Sonntag war Ruhetag. Den haben sie voll und ganz mit der Familie genossen. Und am Montag dann, in der Frühstückspause, einander davon erzählt.

Eigentlich genau so, wie es die Bibel empfiehlt: Sechs Tage sollst du deine Arbeit tun; aber am siebenten Tage sollst du ruhen (2.Mose 23,12). 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28372
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