SWR2 Wort zum Tag

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„Das hier ist Wasser“. So lautet der Titel einer Rede des amerikanischen Schriftstellers David Foster Wallace. Die Rede beginnt mit einer Geschichte, die ich sehr treffend finde:

Schwimmen zwei junge Fische des Weges und treffen zufällig einen älteren Fisch, der in die Gegenrichtung unterwegs ist. Er nickt ihnen zu und sagt: „Morgen, Jungs. Wie ist das Wasser?“ Die zwei jungen Fische schwimmen eine Weile weiter, und schließlich wirft der eine dem anderen einen Blick zu und sagt: “Was zum Teufel ist Wasser?“

David Foster Wallace hat diese Rede im Jahr 2005 vor dem Abschlussjahrgang des Kenyon Colleges in Ohio gehalten hat. Sie gilt in den USA mittlerweile als Klassiker und Pflichtlektüre für alle Abschlussklassen. Als ich sie gelesen habe, hat sie auch mich sehr angesprochen, weil sie eindrücklich zeigt, worauf es im Leben ankommt.

Ich finde diese Geschichte und ihre Pointe sehr treffend. In der Tat kommt es darauf an, nicht einfach so durchs Leben zu „schwimmen“, sondern die Dinge, die das Leben bestimmen, Umstände, Zeiten, Gegebenheiten, Begegnungen, wirklich wahrzunehmen, gerade auch dann, wenn sie scheinbar selbstverständlich sind.

In seiner Rede meint David Foster Wallace, dass es meistens die offensichtlichsten, allgegenwärtigsten und wichtigsten Tatsachen sind, die am schwersten zu erkennen und dann auch zu begreifen sind.

Zum einen, weil unsere Wahrnehmung immer nur der eigenen, persönlichen und damit begrenzten Perspektive erfolgt.

Zum anderen versetzen wir uns viel zu wenig in die Lage von anderen Menschen hinein, sonst würden wir sofort verstehen, warum Jemand z.B. gerade ungehalten, ängstlich oder im Stress ist.

Und noch etwas meint David Foster Wallace: Bei alledem sollten wir immer die Möglichkeit bedenken, dass auch so Jemand wie Gott eine Rolle spielen könnte.

Ich kann mich da sehr gut wiederfinden. Auch mir geht es manchmal so, dass ich mich dabei ertappte, wie ich durch die Stadt laufe und so in Gedanken bin, dass ich kaum etwas um mich herum wahrnehme. Oder dass ich mich über Jemanden ärgere, weil etwas immer noch nicht erledigt ist. Und dann merke ich, dass er oder sie gar nicht anders konnte. Manchmal auch, dass genau das gerade gut gewesen war.

Mittlerweile frage ich mich immer wieder „Wie ist das Wasser heute?“. Und mache dann, wenn ich mich erschöpft fühle, eine Pause. Oder lege, im umgekehrten Fall, munter drauf los. Und wenn ich in ein Gespräch gehe, frage ich mich: kann ich mich in die Lage meines Gegenübers hineinversetzen? Es ist nicht immer einfach, aber es hilft. Mir, der Situation und den anderen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28371
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