SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Im Theater habe ich eine Szene gesehen, die mich sehr beeindruckt hat: Eine alte Nonne liegt im Sterben. Sie sagt dabei sinngemäß, dass sie das Sterben ein ganzes Leben lang geübt hat. Aber jetzt wo es drauf ankommt, kann sie es trotz aller Übung nicht.

Die Frage, ob ich mich auf mein Sterben vorbereiten kann, beschäftigt mich immer wieder. Sehr geübt fühle ich mich dabei noch nicht, aber es ist mir wichtig dran zu bleiben. Wenn es ums Sterben geht, geht es letzten Endes immer auch darum, dass ich die Kontrolle über mein Leben abgeben muss. Damit muss ich fertig werden. Aber das begegnet mir ja auch sonst im Leben, wenn ich krank werde oder auch, wenn ich merke, dass etwas nicht so läuft wie ich will, obwohl ich alles dafür getan habe. Es gibt also im Leben schon genügend Möglichkeiten, dass ich das Loslassen übe.

Das ist aufs erste ein unangenehmer Gedanke. Ich habe am liebsten alles unter Kontrolle. Und wenn ich schon Kontrolle abgeben muss, dann aber nur kontrolliert.

In Wirklichkeit habe ich doch gar nicht so viel unter Kontrolle. Wenn ich mit dem Auto von A nach B fahren muss, schau ich vorher im Navi, wie lange ich brauchen werde. Und wenn dann ein Unfall Stau verursacht und die Planung über den Haufen schmeißt, wird das doch schon deutlich. Das Leben ist nicht unter Kontrolle zu bringen. Aber ein Leben unter absoluter Kontrolle wäre ja auch kein Leben mehr. Und im guten Sinn gibt es das ja genauso: Dass mir im Beruf noch in allerletzter Sekunde die rettende Idee gekommen ist, die auch die Kollegen überzeugt hat, das war ja nicht geplant und kontrolliert.

Trotzdem fällt mir der Gedanke schwer, dass ich Kontrolle abgeben soll. Weil ich eben nicht vorhersagen kann, ob es die gute oder die schlechte Wendung nimmt.

Und genau da fängt für mich als Christ der Glaube an. Dass ich meine Hoffnung darauf setze, dass alles zum Guten führt. Dass ich selbst dann, wenn alles schief läuft nicht tiefer falle als in die Hand Gottes.

Ob es stimmt, weiß keiner. Und dass ich das Vertrauen aufbringen kann, ist selbst nicht kontrolliert planbar. Letzten Endes ist es ein Sprung ins kalte Wasser. Was mir aber Mut macht, ist, dass diese Option selbst ein Zeichen dafür ist, dass nicht alles einem starren, toten Plan folgt, sondern dass gerade dieser Moment, in dem ich das Vertrauen wage, ein entscheidender Moment meines Lebens ist. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28335
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