SWR2 Wort zum Tag

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“Gott lässt sich nicht hineinpfuschen“, schrieb Theodor Fontane an seine Frau. Er war überzeugt davon, dass „wir nichts in unserer Hand haben und dass wir von Minute zu Minute von einer Rätselmacht abhängig sind, die uns streichelt oder schlägt.“ Man könnte auch von Zufall sprechen, von unverfügbaren Widerfahrnissen, auf die der Mensch keinen Einfluss hat. Gott lässt sich nicht von Menschen hineinpfuschen. Weder im Guten noch im Bösen.

Den Apotheker, Journalisten und Schriftsteller Fontane hat die „Rätselmacht“ in vieler Hinsicht „gestreichelt“: Er gehört zu den wirklich großen deutschen Schriftstellern, in diesem Jahr wird sein 200. Geburtstag gefeiert. Kein Schulbuch ohne seine Gedichte. Zum Beispiel das vom gütigen Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland. Viele seiner Romane wurden später verfilmt. Und doch wusste Fontane, dass diese „Rätselmacht“ nicht nur streicheln, sondern auch zuschlagen kann. Ihn schlug sie für eine Weile mit einer tiefen Traurigkeit, mit Arbeitsunfähigkeit, mit Mutlosigkeit.

Theodor Fontane musste sich zu allem zwingen: zum täglichen Spaziergang, zur Arbeit, die nur noch mit „Vierteldampf“ vorwärtsging, zum Schreiben. Er fühlte sich benommen, zutiefst müde, aber keine Nacht schlief er durch und wollte von Anstrengung nichts mehr wissen. Fontane hatte mit seinen 72 Jahren das Gefühl: alles ist sinnlos. Eine Ortsveränderung brachte nichts. "Könnte ich noch eine Freude in meinem Herzen aufbringen, so wäre mir geholfen; aber leider alles grau in grau, der Trübsinn hat die Oberhand", schrieb Theodor Fontane. Seine Ärzte verordneten ihm allerlei. Die Flasche Rotwein pro Tag, die ein Arzt ihm als Medikament gegen seine Traurigkeit verschrieb, trank er wohl, aber sie half ihm nicht. Auch nicht die Hühnerbrühe, die ein anderer Arzt ihm stattdessen verordnete. Bis er endlich – reiner Zufall – an den richtigen geriet. Ihm half der Rat eines dritten Arztes: „Wenn Sie wieder gesund werden wollen, dann schreiben Sie ....“ Und so habe er sich, meinte Fontane, wieder „gesund geschrieben“.

Kein Arzt würde seinem Patienten heute raten, sich täglich eine Flasche Wein gegen Traurigkeit und Antriebslosigkeit zu genehmigen. Und doch bleibt die Einsicht Fontanes gültig, dass es eine Grenze des Machbaren gibt, die wir anerkennen müssen. Da haben wir „nichts in der Hand gegen die Rätselmacht, die uns streichelt oder schlägt“. Gott lässt sich nicht hineinpfuschen.

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